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23.07.2020
Architektur als Hommage
Bürogebäude von Fletcher Priest in London
Der legendäre britische Ingenieur Isambard Kingdom Brunel ist Namenspate für dieses im vergangenen Jahr in London fertiggestellte Hochhaus von Fletcher Priest Architects (London). Es steht im West End schräg gegenüber der Paddington Station, die Brunel Mitte des vorletzten Jahrhunderts maßgeblich mitgestaltet hat. Der Bezug zu Brunel wurde aber nicht nur aus lokalhistorischen Gründen gewählt, wie die Architekt*innen anmerken. Das Gebäude, das in enger Zusammenarbeit mit Arup entwickelt wurde, ist dank seines außenliegenden Tragwerks schließlich auch selbst eine exemplarische Ingenieursleistung. Und tatsächlich lässt sich durchaus eine Verwandtschaft insbesondere mit Brunels Brücken erkennen.
Über einem asymmetrischen Grundriss entstand auf 16 Geschossen über 30.000 Quadratmeter stützenfreie Fläche. Die Wahl für das markante Exoskelett wird einerseits mit der Nachfrage nach möglichst offenen Innenräumen erklärt, andererseits aber auch mit Blick auf die unter dem Grundstück verlaufenden U-Bahntunnel begründet. Das optische Verwirrspiel des Richtungswechsels der Struktur im 9. Stock ist aber eher als formale Setzung denn technische Notwendigkeit zu sehen. Auch wird das Exoskelett primär für den vertikalen Lastabtrag genutzt, während horizontal vor allem die massiven Stahlbetonkerne zuständig sind. Bei allen Vorbehalten ist den Planer*innen aber trotzdem eine ungewöhnlich filigrane Variation des Themas gelungen. Die Assoziation des 19. Jahrhunderts liegt jedenfalls näher als zeitgenössische Kraftmeierei à la Zaha Hadi Architects in Miami oder Macau.
In räumlicher Hinsicht nutzen Fletcher Priest die Potenziale des Grundstücks mittels der asymmetrischen Grundform voll aus. Dabei rücken sie das Volumen leicht zurück, und das ermöglicht erstmals seit 200 Jahren einen öffentlichen Weg entlang des Kanals Richtung Little Venice weiter im Nordwesten. Zu diesem Weg öffnet sich das Erdgeschoss des Brunels mit hangarartigen Glastoren, was angesichts der anhaltenden Pandemie vermutlich ziemlich praktisch ist. Auch der Haupteingang befindet sich hier, ebenso wie gastronomische Angebote. Und dank massiver Auflager aus Beton ist auch hier das besondere Tragwerk des Gebäudes erlebbar. Dieser dezidiert technischen Ästhetik entspricht im Inneren eine weitestgehend offen belassene Deckeninstallation.
Das Brunel Building kann damit als Gegenentwurf zum gestern veröffentlichten Scalpel von Kohn Pedersen Fox gesehen werden, das in ingenieurstechnischer Hinsicht ebenfalls von Arup betreut wurde. Während dort hinter einer anonymen Glasfassade vor allem Unternehmen der Finanzindustrie ihrer Arbeit nachgehen, wurden wenige Kilometer weiter westlich alle Register gezogen, um dem Gebäude einen möglichst spezifischen Charakter zu geben. Kein Wunder, dass dies vor allem Mieter anzieht, deren Arbeitsalltag von einem gewissen hippen Individualismus geprägt ist. Die Architektur als kongeniales Gegenüber der verspielten Interieurs der Startups, die hier residieren – spannender anzusehen ist dies allemal. (sb)
Fotos: Dirk Lindner, Jack Hobhouse
Über einem asymmetrischen Grundriss entstand auf 16 Geschossen über 30.000 Quadratmeter stützenfreie Fläche. Die Wahl für das markante Exoskelett wird einerseits mit der Nachfrage nach möglichst offenen Innenräumen erklärt, andererseits aber auch mit Blick auf die unter dem Grundstück verlaufenden U-Bahntunnel begründet. Das optische Verwirrspiel des Richtungswechsels der Struktur im 9. Stock ist aber eher als formale Setzung denn technische Notwendigkeit zu sehen. Auch wird das Exoskelett primär für den vertikalen Lastabtrag genutzt, während horizontal vor allem die massiven Stahlbetonkerne zuständig sind. Bei allen Vorbehalten ist den Planer*innen aber trotzdem eine ungewöhnlich filigrane Variation des Themas gelungen. Die Assoziation des 19. Jahrhunderts liegt jedenfalls näher als zeitgenössische Kraftmeierei à la Zaha Hadi Architects in Miami oder Macau.
In räumlicher Hinsicht nutzen Fletcher Priest die Potenziale des Grundstücks mittels der asymmetrischen Grundform voll aus. Dabei rücken sie das Volumen leicht zurück, und das ermöglicht erstmals seit 200 Jahren einen öffentlichen Weg entlang des Kanals Richtung Little Venice weiter im Nordwesten. Zu diesem Weg öffnet sich das Erdgeschoss des Brunels mit hangarartigen Glastoren, was angesichts der anhaltenden Pandemie vermutlich ziemlich praktisch ist. Auch der Haupteingang befindet sich hier, ebenso wie gastronomische Angebote. Und dank massiver Auflager aus Beton ist auch hier das besondere Tragwerk des Gebäudes erlebbar. Dieser dezidiert technischen Ästhetik entspricht im Inneren eine weitestgehend offen belassene Deckeninstallation.
Das Brunel Building kann damit als Gegenentwurf zum gestern veröffentlichten Scalpel von Kohn Pedersen Fox gesehen werden, das in ingenieurstechnischer Hinsicht ebenfalls von Arup betreut wurde. Während dort hinter einer anonymen Glasfassade vor allem Unternehmen der Finanzindustrie ihrer Arbeit nachgehen, wurden wenige Kilometer weiter westlich alle Register gezogen, um dem Gebäude einen möglichst spezifischen Charakter zu geben. Kein Wunder, dass dies vor allem Mieter anzieht, deren Arbeitsalltag von einem gewissen hippen Individualismus geprägt ist. Die Architektur als kongeniales Gegenüber der verspielten Interieurs der Startups, die hier residieren – spannender anzusehen ist dies allemal. (sb)
Fotos: Dirk Lindner, Jack Hobhouse
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