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09.06.2020

Mit der Seilbahn zum Essen

Bergrestaurant in Andermatt von Studio Seilern Architects


Das Schweizer Bergdorf Andermatt dürfte spätestens mit dem Dokumentarfilm Andermatt – Global Village des Regisseurs Leonidas Bieri einigermaßen bekannt geworden sein. Er erzählt die Geschichte der kleinen Gemeinde am Sankt-Gotthard-Massiv, die bis zum Ende des Kalten Krieges ein wichtiger Stützpunkt der Schweizer Armee war. Mit dem Rückzug des Militärs aus der Gotthardfestung um die Jahrtausendwende verlor der Ort seine wirtschaftliche Basis und geriet alsbald finanziell in Bedrängnis. Als Heilsbringer wurde der ägyptische Geschäftsmann und Tourismusentwickler Samih Sawiri in die Region geholt, der mit Investitionen von fast zwei Milliarden Schweizer Franken das ehemalige Militärgelände nach und nach zu einem Ganzjahres-Luxusresort für eine gehobene Klientel umbauen will. Das Projekt umfasst 42 Apartmenthäuser und fünf Hotels auf einem gemeinsamen Infrastruktursockel mit Tiefgaragen. Standen zu Beginn der Planungen Sawiris noch 96 Prozent der Anwohner dem Andermatt Swiss Alps-Projekt aufgeschlossen gegenüber, mehren sich nun Stimmen, die die Entwicklung kritisch sehen.

Auch die kulturelle Aufwertung ist Teil von Sawiris Konzept: Im Juni 2019 wurde mit einem Konzert der Berliner Philharmoniker die moderne Konzerthalle Andermatts eröffnet. Entworfen hatte das 11 Millionen Schweizer Franken teure Projekt das Londoner Büro Studio Seilern Architects, welches vor Ort nun einen weiteren Meilenstein des hochpreisigen Freizeitvergnügens realisierte: das Restaurant Gütsch, das auf 2.300 Metern Höhe am Kreuzungspunkt zweier Liftanlagen und Skipisten Haute Cuisine anbietet. Genauer gesagt besteht das Gütsch aus zwei Restaurants. Zum einen The Gütsch von Starchef Markus Neff, mit 44 Sitzplätzen drinnen und 45 auf der Terrasse, zum anderen befindet sich gleich daneben mit The Japanese das höchstgelegene japanische Restaurant der Schweiz, mit 66 Innenplätzen und 145 auf der Terrasse, die auf Stelzen vor dem Ensemble steht. Betrieben wird The Japanese vom ebenfalls von Sawiri ins Leben gerufenen Luxushotel The Chedi Andermatt.

Das Doppelvolumen des Gütsch bezieht sich auf den traditionellen Baustil der lokalen Bergdörfer, wo oft mehrere kleinere Bauten dicht aneinander gereiht sind und zusammen ein großes Ganzes ergeben. Es zielt auf Skifahrer und Bergsteiger ab, steht aber genauso der Nutzergruppe offen, die per Seilbahn zum Essen anreist und dabei einfach die spektakulären Aussichten bewundern will. Dinnergäste genießen das Privileg einer späten Talfahrt in der Gondel über das bereits verlassene Skigebiet.

Aufgrund der extremen klimatischen Gegebenheiten musste der Bauprozess auf zwei Sommersaisons ausgedehnt werden. Der komplizierte Transportweg via Seilbahn und Helikopter sowie die erschwerten Arbeitsbedingungen vor Ort haben sich Architektin Christina Seilern zufolge auch auf das Design ausgewirkt. Da Anlieferung und Logistik für den Wareneinkauf schwierig und teuer durchzuführen sind, verfügen beide Restaurants über großzügig dimensionierte Lagerflächen. Die massiven Brettschichtholzträger der Decke sollen den hohen Schneelasten auf dem Dach standhalten, die Außenfassaden des Holzständerbaus sind mit Stein verkleidet und beziehen sich damit auf die lokale Bautradition, außerdem würde kaum ein anderes Material die exponierte Lage mit Wind, Schnee und Frost auf Dauer aushalten. Der Steinaufbau stützt sich über Träger in ein in den Boden eingelassenes Betonfundament, das dem Gebäude einen stabilen Stand am Steilhang ermöglicht. (tl)

Fotos: Roland Halbe, Valentin Luthiger


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