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12.09.2019
Gmp gewinnen die Stabi West
Wettbewerb für Scharoun-Bau in Berlin entschieden
Von Stephan Becker
„Es wird, das ist sicher, nicht alles so bleiben in der Staatsbibliothek, wie es heute ist“, das schrieb Ulrich Conrads 1979 in der Bauwelt in seiner Kritik zum gerade fertiggestellten Neubau von Hans Scharoun und Edgar Wisniewski. Vierzig Jahre später steht nun eine umfassende Revision des Gebäudes an, dessen Bücherlandschaft längst zu einer äußerst einflussreichen Raumtypologie geworden ist. Bereits 1991 und 2001 waren Teile der denkmalgeschützen Bibliothek neu organisiert worden. Und seit 2006 laufen neben einer Asbestsanierung weitere Maßnahmen von der Fassadenerneuerung bis zum Update der Haustechnik.
Im Rahmen eines nichtoffenen Wettbewerbs entschied nun eine prominent besetzte Jury – unter Vorsitz von Volker Kurrle und unter anderem mit Winfried Brenne, Donatella Fioretti, Susanne Gross, Rebecca Chestnutt und HG Merz – über eine Neuorganisation der öffentlichen Bereiche des Hauses. Den 1. Preis erhielten gmp • Architekten von Gerkan, Marg und Partner (Berlin), mit dem 2. Preis wurden David Chipperfield Architects (Berlin) ausgezeichnet. Grüntuch Ernst (Berlin) und Heneghan Peng Architects (Berlin/Dublin, mit adb Ewerien und Obermann sowie SHS Architekten) erhielten Anerkennungen. Kurz vor dem Abschluss des Totalumbaus der Stabi Ost verschiebt sich nun langsam der Fokus Richtung Westen. Ausloberin war das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung zusammen mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Sieger sollen auch mit der Gesamtplanung der Grundinstandsetzung der Bibliothek beauftragt werden.
Im Kern der nun geplanten Maßnahmen, die eine Teilfläche von rund 11.000 Quadratmeter umfassen, steht neben dem Substanzerhalt die Anpassung an die heutigen Nutzungsanforderungen, insbesondere die Barrierefreiheit. Da dies zugleich mit veränderten technischen Möglichkeiten einhergeht, sind wiederum alternative räumliche Lösungen bis hin zu einer behutsamen Neuinterpretation der Scharoun’schen Ideen denkbar. Entscheidend ist vor allem die Öffnung des Foyers Richtung Osten zum Potsdamer Platz, die bereits von Renzo Piano angeregt und mit einem Durchbruch in seinem Musicaltheater auch räumlich antizipiert wurde. Edgar Wisniewski, der die Stabi nach dem Tod von Scharoun fertigstellte, war gegenüber der Idee aufgeschlossen, die Leitung der Bibliothek hingegen sprach sich lange dagegen aus. Einige Wettbewerbsteilnehmer nutzen die Chance, um an dieser Ostseite anstelle des noch von Scharoun konzipierten, funktionalistisch-programmatischen Großraumbüros zur Buchverarbeitung ein großzügiges Café als neue öffentliche Nutzung unterzubringen. Das würde die Kantine im Obergeschoss komplett ersetzen, was wiederum Platz ließe, um die dortige „Wandelhalle“ mit dem Wandbild von Erich Hauser neu zu beleben.
Das Gewinnerprojekt von gmp und die Entwürf von Grüntuch Ernst und Heneghan Peng denken diese Wandelhalle als öffentlichen Raum, indem sie die Zugangskontrollen aus dem Erdgeschoss bis kurz vor die oberen Lesesaaltreppen verlegen. Das würde auch erlauben, die hintere Freitreppe, die schon kurz nach der Eröffnung wegen zu hohen Personalbedarfs geschlossen worden war, endlich zugänglich zu machen. Das Projekt von David Chipperfield Architects bleibt hingegen bei der ursprünglichen Lösung mit der Zugangskontrolle im Erdgeschoss, möchte aber ebenfalls die hintere Treppe wieder öffnen. Warum nun in Zukunft plötzlich mehr Personal für die zweite Zugangskontrolle vorhanden sein sollte, bleibt – auch mit Blick auf die anderen Entwürfe – unklar. Will man keine neuen Sackgassen schaffen, ist hier Umsicht geboten.
Einer der Hauptgründe, warum das Projekt von gmp die Jury überzeugt hat, ist die Konsequenz, mit der die neue Ostseite ausformuliert wurde – auch wenn Fragen des Aufwands und Denkmalschutzes kontrovers diskutiert wurden. Wo die anderen prämierten Projekte eher einen Hintereingang vorsehen, skizzieren Meinhard von Gerkan und Stephan Schütz zwischen den beiden steilen Rückwänden des Musicals und des Magazins eine spannende Terrassenlandschaft. Die Überlegung der Jury, dass diese Ausformulierung der untergeordneten Bedeutung des Eingangs nicht gerecht wird, ist in diesem Sinne nicht ganz nachzuvollziehen. Im Kontext des eher kommerziellen Potsdamer Platzes würde hier ein neuer öffentlicher Zwischenort entstehen, der noch dazu gerade zur Mittagszeit gut besonnt wäre. Als Folge davon ist höchstens eine Entwertung der Westseite zu erwarten, die in der nächsten Überarbeitungsphase sicher noch debattiert werden muss. Denn dort, wo sich aktuell von breiten Sesseln der Ausblick über die Gartengestaltung von Hermann Mattern und Günter Nagel hinweg auf das dahinterliegende Kulturforum studieren lässt, sehen gmp einen Shop vor. Aber mit Blick auf die Pläne ließe sich beides – ein Café im Osten und ein Fortbestand der freieren, eher kontemplativen Nutzung im Westen – sicherlich miteinander verbinden.
Insgesamt scheint es, dass bei den Entwürfen das Verhältnis zwischen einer bibliotheksfremden Öffentlichkeit und den Bedürfnissen der Nutzer*innen noch nicht ganz austariert ist. Mit der neuen Route dürfte sich das Gebäude als eine touristische Hauptdurchgangsstation zwischen Potsdamer Platz und Kulturforum etablieren. Eine allgemein zugängliche Wandelhalle ist da allein aufgrund der Lärmproblematik kaum denkbar, denn schon jetzt ist jedes laute Geräusch aus dem Erdgeschoss in den Lesesälen zu vernehmen. Zur Lärmproblematik passt außerdem, dass die in den Entwürfen der Architekten visualisierten Menschen, die telefonieren und Coffee-To-Go trinken, der Nutzungsordnung der Stabi schlicht widersprechen. Offensichtlich mangelt es da noch am Verständnis für den Bibliotheksalltag.
Laut Ausschreibung soll die Ausführungsplanung des Großprojekts bis 2024 abgeschlossen sein. Zum Budget gibt es noch keine Aussagen. Nimmt man allerdings die ursprünglichen Baukosten von 226,5 Millionen Mark zum Maßstab, dürfte der Aufwand erheblich sein. Fest steht, dass alle Maßnahmen bei laufendem Betrieb erfolgen sollen. Das ist mit Blick auf den in der Hauptstadt knapper werdenden Bibliotheksraum in jedem Fall löblich.
Zum Thema:
Die Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge – unter anderem mit weiteren Entwürfen von KAAN, Caruso St. John, Nieto Sobejano und ALA Architects – wird am 30. September um 18 Uhr im Foyer der Staatsbiliothek an der Potsdamer Straße 33 eröffnet. Die Arbeiten sind bis zum 15. Oktober während der regulären Öffnungszeiten zu begutachten.
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Zu den Baunetz Architekt*innen:
gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner
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1. Preis: gmp - Architekten von Gerkan, Marg und Partner
2. Preis: David Chipperfield Architects
Anerkennung: Grüntuch Ernst
Anerkennung: Heneghan Peng Architects mit adb Ewerien und Obermann und SHS Architekten
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