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17.05.2019

Gewissenhaft und schonungslos

Werner Durth zum 70. Geburtstag


Der Architekt, Soziologe und Architekturhistoriker Werner Durth feiert heute seinen 70. Geburtstag. Als Architekt zeichnete er unter anderem zusammen mit Günter Behnisch für den Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin verantwortlich. Maßgebend ist Durth seit den 1970er Jahren insbesondere durch seine Schriften: Mit den zum Teil extrem umfangreichen Studien zu Themen der Architektur und des Städtebaus im 20. Jahrhundert und seiner prononcierten Sprache zählt er zu den wichtigsten Architekturtheoretikern der Gegenwart.

Durth studierte Architektur und Stadtplanung an der TH Darmstadt, zudem Soziologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und an der TH Darmstadt. 1981 erhielt er eine Professur für Umweltgestaltung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ab 1993 war er Direktor des Instituts Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) an der Universität Stuttgart. Von 1998 bis zu seiner Emeritierung 2018 lehrte er Geschichte und Theorie der Architektur an der Technischen Universität Darmstadt. Neben seiner Lehrtätigkeit war er Mitherausgeber der Zeitschriften ARCH+ und Stadtbauwelt.

Die Schriften Durths prägen eine schonungslose Analyse seiner unmittelbaren Vergangenheit und ein feines Gespür für aktuelle Tendenzen. Prangerte Alexander Mitscherlich in seiner 1965 erschienenen Publikation „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ zurecht noch den fehlgeleiteten autogerechten Städtebau an, lenkte Durth in seinem ersten Buch „Die Inszenierung der Alltagswelt“ (1976) den Fokus auf „die neue Wirt(schaft)lichkeit unserer Städte“ und prognostizierte anlässlich des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 eine folgenreiche Trendwende. Pointiert formuliert er hier, dass „auf den Spuren der ‚Nostalgiebewegung‘ (…) Stadt-Bilder ausschnitthaft hergerichtet und in Fernsehbildern, Zeitungsfotos, Berichten und Kommentaren bedeutungsvoll als Stationen auf dem Weg zur Humanisierung der Umwelt gefeiert“ würden. Vehement kritisierte er einen heimeligen Neohistorismus und die mediale Inszenierung der Stadt, die zu „Fluchtträumen“ führten und die Sicht auf die eigentlichen urbanen Probleme der Gegenwart verstellten. In einer gemeinsam mit Niels Gutschow erarbeiteten Publikation schärfte Durth außerdem das kritische Verständnis für „Architektur und Städtebau der fünfziger Jahre“ (1987) und weckte früh die Sensibilität für die Qualität und Denkmalschutzbedürftigkeit der Nachkriegsmoderne.

Mit der zweibändigen Publikation „Träume in Trümmern. Planungen zum Wiederaufbau zerstörter Städte im Westen Deutschlands 1940–1950“, erschienen 1988, schufen Durth und Gutschow zudem ein Grundlagenwerk der Stadtplanung. Darin legten sie mit einer schier unerschöpflichen Fülle an Material zu den größten bundesdeutschen Städten Kontinuitäten in der Stadtplanung vor und nach 1945 offen. Sie zeigten, dass die Unterscheidung in einen gigantomanischen Neuklassizismus mit strenger Axialität – als faschistischster – und in die aufgelockerte, durchgrünte Stadtlandschaft – als demokratischer Ausdruck von Urbanität – zu kurz greift. Unter anderem am Beispiel von Niels Gutschows Vater, Konstanty Gutschow, und dessen Generalbebauungsplan für Hamburg von 1944, verdeutlichten die beiden Autoren, dass der nationalsozialistische Wiederaufbau Hamburgs einer organischen Stadtentwicklung folgen sollte –Vorteile sah man damals nicht zuletzt durch eine geringere Verwundbarkeit im Bombenkrieg. Die in den 1950er Jahren propagierte autogerechte Stadt verpflichtete sich letztlich den gleichen Leitprinzipien wie die „luftschutzgerechte Stadt“. Es war so in erster Linie die Terminologie, die Architekten dem jeweiligen politischen System angepassen. Eine „Stunde Null“ des deutschen Städtebaus beim Wiederaufbau hat es, so Durths und Gutschows Erkenntnis, nie gegeben.

Ähnlich grundlegend ist Durths zusammen mit Gutschow und Jörn Düwel herausgegebenes Werk „Architektur und Städtebau der DDR“ (1998). Aufbauend auf einer zehnjährigen Recherche resümierten sie umfassend die ostdeutsche Architekturgeschichte von einer frühen „Pflege des nationalen Erbes“ unter Stalin hin zur von Chruschtschow verordneten industriellen Plattenbauweise Mitte der 1950er Jahre. Einen Zugang zu den Arbeiten fanden die Autoren stets über die individuellen Lebenswege der Architekten und konterkarierten damit das westdeutsche Narrativ der im Kollektiv ausgeheckten 08/15 DDR-Architektur ohne künstlerischen Anspruch. (stu)


Zum Thema:

Heute wird die BDA-Ehrenmitgliedschaft an Werner Durth im Deutschen Architektur Zentrum DAZ in Berlin vergeben. Anlässlich der Verleihung spricht Werner Durth unter dem Titel „Glücksversprechen. Zwischen Utopie, Impuls und Regression“ über die kurze Geschichte des Bauhauses vor dem Hintergrund des Wandels der Weimarer Republik und mit Blick auf die Entwicklung der Architektur der Bundesrepublik. Der Architekturtheoretiker Stephan Trüby kommentiert den Vortrag anhand einer Auseinandersetzung mit dem Werk Durths und spannt in seinem Beitrag „Rechte Räume“ den Bogen zu gegenwärtigen Entwicklungen in der Architektur.

Termin: Freitag, 17. Mai 2019, 19 Uhr
Ort: Deutsches Architektur Zentrum DAZ, Wilhelmine-Gemberg-Weg 6, 10179 Berlin-Mitte
www.daz.de


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Werner Durth wird 70 und erhält die Ehrenmitgliedschaft des BDA.

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