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22.01.2000
„Ahornblatt muss erhalten werden“
Fachleute einstimmig gegen Abriss eines modernen Baudenkmals in Berlin
Am 21. Januar 1999 fand in Berlin auf Initiative der örtlichen Architektenkammer eine hochkarätig besetzte Konferenz von Architekten, Stadtplanern und Denkmalschützern statt, die das Ziel hatte, die akut abrissbedrohte ehemalige Großgaststätte „Ahornblatt“ an der Grunerstraße in Berlin-Mitte zu erhalten. Alle Besucher der Konferenz votierten per Akklamation einstimmig für eine Resolution, das denkmalgeschützte Gebäude zu erhalten. Die Architektenkammer verpflichtete sich, diese Resolution sowohl dem zuständigen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder als auch dem Investor, der das Grundstück gekauft hatte, zuzustellen. Beklagt wurde allenthalben, dass diese öffentliche Diskussion möglicherweise zu spät gekommen sei.
Das „Ahornblatt“ ist ein expressives Gebäude aus hyperbolisch-paraboloiden Betonschalen, die von Bauingenieur Ulrich Müther um 1970 entworfen worden war. Der knorrige „Pommersche Bauer“ Müther hatte vom Standort Binz auf Rügen aus mit seinen leichten Flächentragwerken Architekturgeschichte geschrieben: Innerhalb von dreißig Jahren sind von ihm, der sich bescheiden als „Landbaumeister“ bezeichnet, an die sechzig Schalenbauten errichtet worden, unter anderem auch im Ausland. Damit war Müther nicht nur ein weltweit beachteter Pionier dieser technisch anspruchsvollen Bauweise, sondern auch der einzige DDR-Architekt, der seine Entwürfe in den Westen exportieren konnte: Auch das Planetarium Wolfsburg ist nach seinen Plänen errichtet worden. Als eines seiner wichtigsten Werke gilt das „Ahornblatt“, das zuletzt als Discothek genutzt wurde und nun leersteht.
Ein von der Oberfinanzdirektion Berlin abgewickelter Immobilien-Deal hatte Investoren eine bestimmte, sehr hohe Geschossflächenzahl für die Überbauung eines Grundstücks garantiert, das unter anderem das Ahornblatt einschließt. Ursprünglich war geplant gewesen, das Ahornblatt zu erhalten und zur Kompensation seiner angeblich unrentablen Nutzung ein Hochhaus zu errichten. Dieses Hochhaus scheiterte am Einspruch der Stadtentwicklungsverwaltung, die damals maßgeblich durch Staatssekretär Hans Stimmann geprägt wurde und im Zuge des „Planwerks Innenstadt“ eine Blockrandbebauung forderte. In Folge des Streites um dieses Hochhaus hatte die Baustadträtin des Berliner Bezirks Mitte, Karin Baumert, ihren Posten räumen müssen. Ihr Nachfolger Thomas Flierl gab sich auf der Konferenz machtlos: Er habe einen rechtskräftigen Bescheid seiner Vorgängerin vorgefunden, den er nun zu exekutieren habe.
Auch der Präsident der Oberfinanzdirektion Berlin, Ingo Trendelenburg, gab sich ohnmächtig: Die Nachkriegsarchitektur im Osten entspreche zwar keineswegs seinem persönlichen Geschmack, aber er sei durchaus flexibel für andere Lösungen, und er handele im übrigen sachlich statt emotional. Einhellige Empörung erntete er auf Bemerkungen, dass schließlich nicht nur das Baudenkmal wichtig sei, sondern auch die Sanierung der öffentlichen Kassen.
Hardt Walterr Hämer verwies dagegen engagiert darauf hin, dass Baudenkmale dieser Art der gesamten Gesellschaft gehörten: Im Falle eines Abrisses „werden wir beraubt“.
Der Präsident der Berliner Architektenkammer, Cornelius Hertling, verstieg sich sogar zu der These, dass es in Berlin eine „Beseitigungs- und Vernichtungsstrategie der fortschrittlichen Architektur der Moderne“ gebe. Seine scheinbar aussichtslosen Versuche, nun noch für den Erhalt des Ahornblatts zu werben, wurden von Flierl als „blumiger Enthusiasmus“ kommentiert.
Die Konferenz war sich einig, dass mittlerweile nur noch Appelle an den Investor namens „Objekt Marketing GmbH (OMG)“ helfen könnten, das Ahornblatt zu erhalten.
Am Rande der Konferenz sprach der denkmalpflegerisch engagierte Cottbuser Bauingenieur-Professor Lorenz an, dass das „Cottbuser Sternchen“, eine technologiegeschichtlich höchst bedeutende Holz-Schalenbau-Konstruktion, ebenfalls akut abrissgefährdet sei. Die Baudezernentin in Cottbus sei geradezu versessen darauf, denkmalgeschützte Bauten der Nachkriegsmoderne durch banale Shopping-Center zu ersetzen.
Benedikt Hotze
Foto des Ahornblatts: -tze
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