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25.02.2019
Terrassen für mehr Miteinander
Besuch im Atelierhaus von Brandlhuber + Emde, Burlon und Muck Petzet im Berliner Wedding
Von Natalie Scholder
Seit der Lobe Block im August letzten Jahres bezogen wurde, ist das Interesse an dem auffälligen Bauwerk im Berliner Wedding groß. Das Terrassenhaus von Brandlhuber + Emde, Burlon (Berlin) und Muck Petzet Architekten (München) ermöglicht eine Mischnutzung aus Arbeiten und Wohnen auf einem ausgewiesenen Gewerbegrundstück und bietet auf gemeinsam genutzten, halböffentlichen Terrassen viel Raum für Austausch und Interaktion. Das Haus soll Heterogenität befördern – ganz gemäß dem von Arno Brandlhuber propagierten dialogischen Prinzip – und ist nun einer von fünf Finalisten für den Mies van der Rohe Award 2019.
Das Projekt entstand aus dem Wunsch der Bauherrin Olivia Reynolds, (kreatives) Arbeiten und Wohnen unter einem Dach und im Grünen zu ermöglichen. Sie erwarb das Grundstück, eine zur Gewerbefläche deklarierte, sehr urbane Brache zwischen S-Bahngleisen sowie Schul- und Wohnbebauung, und trat mit ihrer Idee an das Architektenteam sowie Co-Bauherrin Elke Falat heran. Das Ergebnis dieser anspruchsvollen Aufgabe erinnert stark an andere Projekte von Arno Brandlhuber: die Antivilla bei Potsdam und besonders das Ateliergebäude in der Berliner Brunnenstraße. Auch das Terrassenhaus ist ein bewohnbarer Rohbau, wird über eine außenliegende Treppenanlage erschlossen – und seine Dimensionen entspringen einer penibel genauen Auslegung der Bauauflagen.
Bewohnbarer Rohbau
Wände und Treppen sind aus Beton, die Geländer aus Stahlprofilen, die Fassaden mit raumhohen Glasflächen versehen. Als Sicht- und Sonnenschutz dienen außen angebrachte, silbergraue Vorhänge aus Geotextil. Von den fünf Etagen springen die unteren Geschosse an der Straßenseite zurück, sodass bei maximaler Überbauung ein halböffentlicher Vorplatz entsteht. Auf der Südwestseite verfügt jedes Obergeschoss über eine sechs Meter tiefe Terrasse – fünf Meter für den Brandschutz, ein Meter dient, ebenso wie die gerade geführte der beiden Treppen, als Fluchtweg. Bei Sonnenschein bietet sich ein toller Ausblick über die Gleise und bei Regen ein Spektakel, wenn das Wasser kaskadenartig über die leicht geneigten, nicht entwässerten Geschossplatten fließt.
Die Einheiten, die in ihrer Tiefe zwischen 26 Meter im Erdgeschoss und 11 Meter im obersten Geschoss variieren, sind bis auf die zwei Kerne mit Fahrstuhl und Nasszellen unverstellt. Leichtbauwände aus Gipskarton- und Seekieferplatten grenzen die Ateliers voneinander ab. Niedrige Baukosten für maximalen Raum waren hier das Ziel. Die Mieterschaft wird von der Bauherrin kuratiert, die das einzige tatsächliche, als Hausmeisterwohnung deklarierte Apartment bezogen hat. Die unterschiedlichen Mieten der Gewerberäume entsprechen in ihrer Gesamtheit der Durchschnittsmiete im Wedding. Aktuell beherbergen die Maisonette-Räume im Erdgeschoss ein Café, einen Veranstaltungsraum und einen Verein zur Integration geflüchteter Künstler. In den darüberliegenden Etagen finden sich verschiedene Ateliers, ein Yogastudio, Muck Petzets Architekturbüro und eine Modeboutique.
Der Wedding kommt?
Der Wedding kommt, so heißt es schon lange – welche Rolle spielt das Terrassenhaus in der Entwicklung? Beim Besuch der Boutique im zweiten Obergeschoss ist der Laden zwar voll, auf Nachfrage stellt sich jedoch heraus, dass alle Kundinnen Teil einer Gruppe von Modestudierenden sind, die das Studio im Wedding als Teil einer geführten Tour besichtigen. Längerfristig plant der Inhaber doch, einen Verkaufsraum in Mitte zu eröffnen – zu wenig kaufkräftiges Laufpublikum verirre sich in die Böttgerstraße. Überhaupt ist interessant, wie das Haus, das eine weiche Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum zieht, angenommen wird.
Noch viel zu tun
Öffentlich zugänglich ist das Gebäude allein über das Café, das jedoch nur dezent durch ein kleines Schild auf sich aufmerksam macht. Der ungenutzte Vorplatz wirkt durch die scharf entlang der Grundstücksgrenze gezogene Rampe wenig einladend. Zur Sicherheit der im Garten spielenden Kinder wurde der eigentliche Zugang nachträglich durch ein Tor versperrt. Das insbesondere vom Flakturm im nahen Park Humboldthain gut sichtbare Terrassenhaus lockt einige Besucher an, durch die sich einzelne Nutzer jedoch eher gestört als bereichert fühlen. Selbstgemachte Schilder weisen die eigentlich halböffentlichen Treppenabschnitte als Privatwege aus. Die Terrassen sind größtenteils noch karg und ungenutzt. Nur ein Künstler platziert seine Installationen auf der großen Fläche vor seinem Atelier, und natürlich lebt die Bauherrin hier ihre Vision vom vertikalen Garten vor.
Im eigentlichen Garten ist noch einiges zu tun, doch hier gibt es immerhin schon ein Trampolin und einen Kaninchenstall zwischen den bunten Bauwagen der Eigentümerin. Auch Hühner sollen hier bald leben – in einer Stallarchitektur von Brandlhuber. Wenn die Mieter den Anbruch des Frühlings nutzen und ihren Teil dazu beitragen, den Terrassenraum gemeinsam zu gestalten, kann das Projekt auch zu dem werden, was es sein soll: das Angebot, auf einer maximal genutzten, ehemaligen Brache neue Formen des städtischen Miteinanders zu probieren.
Fotos: Erica Overmeer
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es: „Als Gewerberäume unterliegen die übrigen Einheiten nicht dem Mietspiegel, Mietpreise von 22 Euro pro Quadratmeter behindern die gewünschte Nutzervielfalt.“ Dies wurde auf Wunsch der Bauherrschaft korrigiert.
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Das Terrassenhaus soll Arbeiten und Wohnen unter einem Dach und im Grünen ermöglichen.
Auf der Südwestseite verfügt jedes Obergeschoss über eine sechs Meter tiefe Terrasse.
Im eigentlichen Garten ist noch einiges zu tun. Auch Hühner soll es hier bald geben – in einer Stallarchitektur von Brandlhuber.
Als Sicht- und Sonnenschutz dienen außen angebrachte, silbergraue Vorhänge aus Geotextil.
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