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12.11.1999
Kritik der Architekturkritik
Diskussion in Frankfurt / Main
Am Abend des 11. November 1999 fand in der Fachochschule in Frankfurt am Main eine Diskussionsveranstaltung statt, die eine vierteilige Veranstaltungsreihe zum Thema „Kritik der Architekturkritik“ abschloß.
Bei einer enttäuschend kleinen Zuschauerzahl von ca. 60 Personen im Audimax diskutierten Architekten und Kritiker über die gesellschaftliche und kulturelle Relevanz der veröffentlichten Architekturkritik.
Pierre Vago, der langjährige Chefredakteur der „Architecture d`Aujourd`hui“, berichtete aus seinem reichen Erfahrungsschatz und relativierte die Rolle der Architekturkritik: Sie schaffe es nicht, das Publikum auf die echten Herausforderungen der Zukunft wie Überbevölkerung und Wohnungsnot vorzubereiten. Stattdessen feiere sie „Stararchitekten“, die eigentlich „Starlets“ heißen müßten, weil sie so schnell wieder gehen, wie sie gekommen seien. Perraults „Très Grande Bibliothèque“ in Paris sei ein „teurer Blödsinn“ geworden, und auch die Bebauung am Potsdamer Platz in Berlin sei „städtebaulich, architektonisch und philosophisch eine Katastrophe“. Selbst Architekten, die er sonst schätze (wie Renzo Piano), könnten nur Mittelmaß abliefern, wenn die Rahmenbedingungen nichts Besseres zuließen.
Wolfgang Bachmann, Chefredakteur des „Baumeister“, wies auf die Situation der Fachzeitschriften hin. Sie seien das Produkt eines Verlages, der das Ziel verfolge, Geld zu verdienen. Daraus resultierten Zwänge für die Redaktionen, die formell unabhängig seien - solange ihr Tun in die vom Verlag gesetzten Rahmen passe. „Architekturkritik ist das, was wir mit unterbringen können, aber nicht unbedingt das, was der Verlag von uns erwartet.“ Abschließend stellte er fest, daß auch Architekten nicht wirklich an Architekturkritik interessiert seien.
Christian Thomas, der bei der „Frankfurter Rundschau“ für die Architektur zuständig ist, stellte fest, daß das Feuilleton der Publikumspresse der Ort sei, an dem die Architekturkritik eigentlich stattfinde. Die Redakteure dort seien tatsächlich unabhängig und müßten keine Rücksicht auf Anzeigenkundschaft nehmen. Im übrigen könne man in der Zeitung nicht viele Bilder zeigen, weshalb man sich dort ganz auf die Inhalte konzentrieren könne.
Luisa Hutton, Architektin in Berlin, entwarf ein optimistisches Bild: „Die Architektur“ werde nicht nur von den Architekten gemacht, sondern von vielen verschiedenen am Bauen Beteiligten, darunter auch den Kritikern. Diese spielten eine ganz wichtige Rolle im gegenseitigen Dialog im Dienste der Sache. Auch Hutton vertrat die Ansicht, daß die Kritik in Tages- und Publikumszeitungen ungleich wichtiger sei als die in reinen Fachblättern. Man müsse die Menschen für die Architektur interessieren und nicht im „inner circle“ verweilen.
In der abschließenden Diskussion brachte Wolfgang Bachmann, nach der „Objektivität des Kritikers gefragt, sein Selbstverständnis in Abwandlung eines Zitats von Marcel Reich-Ranicki pointiert vor: Der Kritiker müsse genauso wie der Architekt größenwahnsinnig sein, weil beide in dem Wahn lebten, die Welt nach ihren Vorstellungen formen zu können.
Die BauNetz-Redaktion dankt Christof Bodenbach für seinen Bericht, der diesem Artikel zugrundeliegt.
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