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15.02.2019

Emanzipation in Beton

Moschee von Glenn Murcutt und Hakan Elevli bei Melbourne


Als vielleicht erste wahrhaftig australische Moschee beschreibt Ewan McEoin von der National Gallery of Victoria in Melbourne das neue Islamic Centre in Newport, einem Vorort von Melbourne. Dem Pritzkerpreisträger Glenn Murcutt, der seit 2005 an dem Projekt arbeitete, sei es mit diesem Gebäude gelungen, die religiöse Typologie als einen selbstverständlichen Bestandteil der Vororte neu zu interpretieren. Ein interessanter Blickwinkel, wenn man beispielsweise an Gottfried Böhms repräsentative Moschee in Köln oder das kompakte islamische Gemeindezentrum von Formwerkz Architects in Singapur denkt. Die stehen im dichten urbanen Kontext und orientieren sich vielleicht auch darum an den präsenteren Kuppelbauten, wie man sie beispielsweise aus der Türkei kennt. Murcutt greift hingegen die horizontalen Konfigurationen der arabischen Tradition auf, was ganz nebenbei sehr gut zur niedrigen Bebauung eines australischen Vororts passt.

Diese Zurückhaltung liegt Murcutt natürlich, wie er auch schon bei anderen Projekten bewiesen hat. Das Islamic Centre ist sein bisher größtes Vorhaben, und trotzdem kann er sich vor allem auf die praktischen Aspekte seiner Architektur konzentrieren. Fragen der Belüftung oder Verschattung sind ihm dabei ebenso wichtig oder vielleicht noch wichtiger als ästhetische Überlegungen. Der Gemeinde, die auf ihn 2004 als damaliger Vorsitzender der Jury des Aga Khan Awards aufmerksam wurde und ihn direkt beauftragte, war allerdings auch bewusst, dass er gerade aus dieser kontextuellen Perspektive heraus eine ganz eigene Poesie entwickeln würde. In Newport sind in diesem Sinne beispielsweise die periskopartigen Lichtfänger zu nennen, die dank ihrer unterschiedlichen Ausrichtung den Gebetsraum mit wechselnden Farben fluten. So kann man den Verlauf des Tages erkennen, ohne dass sich der Innenraum aufheizen würde. Für die nötige kulturelle Sensibilität sorgte die Zusammenarbeit mit dem türkischstämmigen Sydneyer Architekten Hakan Elevli.

Die Anlage des Islamic Centre projektieren Murcutt und Elevli als Folge von niedrigen Volumen und hofartigen Außenräumen, die allerdings im Gegensatz zu ihren arabischen Vorbildern nicht allseitig abgeschlossen sind. Im Architectural Review beschreibt der Journalist Piers Taylor dies als die entscheidende Setzung der Architektur: Ein unmittelbarer Übergang aus einem (noch nicht fertiggestellten) parkähnlichen öffentlichen Raum direkt hinein in den verglasten Gebetsraum der Moschee. Wie die Gesamtanlage zeichnet sich letzterer durch ein horizontales Layout mit schlanken Stützen aus. Für Murcutt typisch ist der Raum in Sichtbeton gefasst, die Gemeindemitglieder blicken außerdem auf eine Glaswand, hinter der sich ein begrüntes Wasserbassin befindet.

Insgesamt umfasst der sakrale Teil der Anlage etwas über 2.000 Quadratmeter, knapp 3.000 Quadratmeter fallen dem Gemeindezentrum zu. Dort gibt es die Wohnung des Imams, ein Restaurant, ein Mehrzweckraum, eine Sporthalle, Seminarräume und eine Bibliothek. Seit 2014 wird gebaut, die Moschee befindet sich seit 2017 in Benutzung und mit einem Abschluss der Bauarbeiten ist 2020 zu rechnen. Rund 10.000 Mitglieder gehören zur Gemeinde, die ihre Ursprünge in den 60er-Jahren hat.

Mit der selbstverständlichen Rolle, die der Islam in der heutigen australischen Gesellschaft spielt, erklärt Murcutt übrigens auch die Abwesenheit eines weithin sichtbaren Minaretts: Diese hätten in Australien ohnehin nur noch symbolische Bedeutung, da er Ruf meist über Lautsprecher erfolgt. Murcutt und Elevli überhöhen stattdessen einfach eine der Wände des Hofs zu einer steilen Spitze, auf der sie einen Halbmond befestigen. (sb)

Fotos: Anthony Browell

Wer vom Pritzkerpreisträger Glenn Murcutt persönlich lernen will, der hat dazu auch in diesem Jahr im Rahmen seiner Masterclass eine Chance. Die findet im September im ebenfalls von Murcutt entworfenen Riversdale-Centre und in Sydney statt. Aktuell läuft die Bewerbungsfrist, mehr dazu auch auf der Webseite und im Video unten.


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