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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Maarten_Gielen_und_Tristan_Boniver_sprechen_ueber_ihr_Geschaeftsmodell_5541617.html

19.11.2018

Rotor erhalten Schelling Architekturpreis 2018

Maarten Gielen und Tristan Boniver sprechen über ihr Geschäftsmodell


Rotor erhalten den Schelling Architekturpreis 2018. Mit der Preisvergabe – aber auch mit den beiden Shortlist-Kandidaten Bruther aus Paris und Aristide Antonas aus Athen sowie der Theroiepreisträgerin Keller Easterling – leistet die Schelling Architekturstiftung einen wichtigen, kritischen und unabhängigen Beitrag in Zeiten des Baubooms. Rotor bauen nicht nur, sondern verfolgen ein Architekturverständnis, das weit über das Planen und Bauen hinausgeht und Nachhaltigkeit präzise definiert. Spätestens seitdem das Kollektiv aus Brüssel 2010 den Belgischen Pavillon auf der Biennale in Venedig kuratierte, ist es für seinen besonderen Zugang zu Material bekannt. Die inzwischen 25 Mitglieder beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, wie man Bauelemente wiederverwenden kann. Vor vier Jahren gründeten sie mit Rotor Deconstruction eine Firma, die Abrissarbeiten ausführt und Bauelemente auf einer Webseite zum Kauf anbietet. Inzwischen bauen sie fast jede Woche in einem anderen Gebäude Materialien aus. Mit den beiden Rotor-Initiatoren Maarten Gielen und Tristan Boniver sprach Friederike Meyer über deren Geschäftsmodell und dessen Chancen für die Wirtschaft.  
 
Ihre Firma Rotor Deconstruction entfernt Materialien aus alten Gebäuden und verkauft sie für den Wiedereinbau in anderen Bauten. Wer bezahlt dabei wen?
Wir haben ein Doppeleinkommen. Der Eigentümer bezahlt uns für das Ausbauen der Materialien. Normalerweise sind wir günstiger als eine reguläre Abrissfirma. Die ausgebauten Materialien verkaufen wir an Interessenten.
 
Wissen Sie vorher, wer das Material nach dem Ausbau kauft?
Als wir anfingen, haben wir direkt von der Baustelle wegverkauft, merkten aber sehr schnell, dass es für Architekten schwierig ist, mit unserem Material zu arbeiten. Sie müssen sich ja immer erst mit ihren Bauherren besprechen. Bei 90 Prozent von dem, was wir ausbauen, wissen wir nicht, wofür es später verwendet wird.
 
Eine Frage des Lagerns...?
...und des Cashflows! Denn jedes Mal, wenn wir etwas auseinandernehmen, investieren wir ja auch. Und je mehr Material wir im Lager haben, desto mehr Geld wird nicht bewegt. Wir wissen inzwischen ganz gut, welchen Wert die Materialien haben. Aber wir müssen an der Geschwindigkeit von Ausbau und Weiterverkauf arbeiten.
 
Was lohnt, was lohnt nicht?
Wir brauchen eine gewisse Größe, mindestens 5.000 Quadratmeter. Ideal sind Bauten um die 30.000 Quadratmeter. In Schulen, Büros und Gewerbebauten suchen wir nach Böden, Decken, Leuchten, Türen und Wandsystemen. Wenn wir viel ausbauen, haben wir auch Ersatzteile.
 
Wie grenzen Sie sich vom Shabby Chic ab?
Unsere persönliche Beziehung zum Material ist unwichtig. Die Idee soll Desingtrends überdauern.
 
Wie gehen Sie mit Normen und Zertifikaten für Bauelemente um?
Das ist unkomplizierter als man denkt. Ein Brett im Baumarkt hat ja auch kein Zertifikat. Bei Brandschutztüren zum Beispiel ist es wie mit einem gebrauchten Auto. Wenn man die Papiere hat, kann man es gut verkaufen. Die Mehrheit der Bauelemente birgt ein geringes Risiko zu versagen. Natürlich würden wir niemandem empfehlen, die oberen Geschosse eines Hochhauses mit Secondhand-Ziegeln zu verkleiden.
 
In welchem Radius bewegen Sie sich?
Die theoretische Seite des Projekts ist international. Die logistische Seite ist auf einen 100-Kilometer-Radius um Brüssel begrenzt, es sei denn, wir verlieben uns in ein Gebäude.
 
Inwiefern hat Ihre Arbeit das Bewusstsein für die Wiederverwendung von Material verändert?
Wir arbeiten inzwischen mit Kommunen und Regionen in den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich zusammen. In Brüssel haben wir es geschafft, das ursprüngliche Müllverwertungskonzept der Stadt zu beeinflussen. Das ist ein großer Erfolg. Rotor DC erlaubt uns, Dinge zu testen. Wir haben ein Handbuch für den Rückbau von öffentlichen Gebäuden entwickelt. Viele Kommunen benutzen inzwischen unsere Formulare, um beim Abriss Materialien zu retten.
 
Was ist das Ziel Ihrer Arbeit?
Vor vier Jahren waren wir die einzigen in Belgien, die Gebäudeinventuren angeboten haben. Jetzt gibt es zwei bis drei andere Firmen. Jedes Ingenieurbüro kann das. Wenn wir die Initiative ergreifen, ein Werkzeug zu entwickeln, das zum Standard in der Bauindustrie wird, können wir die Industrie in eine bestimmte Richtung beeinflussen und die Prozesse verbessern, ohne jedes Mal von vorne anfangen zu müssen. Aber die Wirtschaft aus ökologischen Gründen umzukrempeln, ist ein riesiges Projekt. Das können wir nicht alleine schaffen. Unsere Strategie ist, sichtbare Pilotprojekte zu schaffen, die Werkzeuge liegen zu lassen und damit Raum zu bieten für andere, die es weiterführen.

Aus dem Englischen: Friederike Meyer


Zum Thema:

Wie Rotor mit den Hinterlassenschaften der Mafia in Palermo umgegangen sind, steht in der BaunetzWOCHE #517 über die Manifesta 2018. Weitere Informationen zum Preis unter www.schelling-architekturpreis.org


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Der Schelling Architekturpreis 2018 geht an die Mitglieder des Kollektivs Rotor aus Brüssel.

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Maarten Gielen und Tristan Boniver von Rotor

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