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31.10.2018
Baukunstarchiv NRW eröffnet in Dortmund
Gespräch mit dem wissenschaftlichen Leiter Wolfgang Sonne
Als Wolfgang Sonne 2007 den Lehrstuhl für Geschichte und Theorie der Architektur (GTA) an der TU Dortmund übernahm, wurde er zugleich Leiter des Archivs für Architektur- und Ingenieurbaukunst NRW (A:AI). Seitdem hat er sich für eine breite Trägerschaft und dauerhaft nutzbare Räume eingesetzt. Am 4. November 2018 wird das Baukunstarchiv NRW im ehemaligen Museum am Ostwall in Dortmund eröffnet. Mit BauNetz sprach Sonne über Digitalisierung, Finanzierung und prominente Archivalien.
Von Uta Winterhager
Herr Sonne, was sammelt das Baukunstarchiv NRW?
Es sammelt Baukunst mit Bezug zu NRW. Dahinter verbirgt sich nicht nur Architektur, sondern auch Ingenieurbau, Städtebau, Landschaftsarchitektur und Innenarchitektur. Wir wollen sowohl das Werk der großen Namen, als auch das alltägliche und typische Bauen sammeln. Alles was einmal öffentlich eingereicht wurde, liegt bei den Bauämtern, die dort für die Archivierung zuständig sind. Wir hingegen kümmern uns um die privaten Nachlässe. Damit führen wir eine Tradition fort, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, als zum Beispiel Gottfried Sempers Nachlass der ETH Zürich anvertraut wurde.
Kann also jeder Architekt aus NRW dem Baukunstarchiv seinen Nachlass vermachen?
Unser Sammlungskonzept sieht vor, dass wir besondere wie auch typische Werke sammeln. Gerade beim Typischen müssen wir eine möglichst objektive und fachlich breit abgestützte Auswahl treffen. Deshalb haben wir einen Fachbeirat, in dem alle Fachrichtungen des Bauens sowie Verbände, Museen und Universitäten vertreten sind. Seine Empfehlung bildet eine wichtige Grundlage der Entscheidung.
Der Nachlass eines einzigen Büros kann mehrere Kellerräume mit Rollen, Modellen und Schriftwerk füllen. Wie wählen Sie aus?
Das ist sehr schwierig. Manchmal haben wir Glück, und die Akteure haben ihre Bestände selbst schon auf das Wichtigste beschränkt. Aber für unsere Sammlungsstrategie sind, anders als bei einigen anderen Archiven, wo nur die schönsten Pläne bewahrt werden, alle Medien aus dem Produktions- oder Rezeptionsprozess interessant: auch Briefe und Akten, Modelle, Fotografien und Bücher. Dadurch erhöht sich die Menge und die Vielfalt dessen, was wir bewahren wollen. Schwierig ist das bei sehr großen Nachlässen, zum Beispiel dem von Harald Deilmann, den wir vor 15 Jahren übernommen haben und ganz aktuell bei dem sehr umfangreichen Nachlass von Josef Paul Kleihues. Unsere Strategie ist, die Akten für wichtige Projekte umfassend vorzuhalten und uns bei Projekten, die uns „normal“ erscheinen, auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Was und wen möchten Sie mit der Sammlung erreichen?
Traditionell gesehen sind die Architektursammlungen deutscher Hochschulen alle aus Lehrsammlungen hervorgegangen. Doch seitdem wir uns die Welt lieber selber ausdenken, als aus der Geschichte zu lernen, erfüllen die Archive einen ganz anderen Zweck. Sie sollen die kulturellen Leistungen der Architektur überliefern. Neben der klassischen historischen Forschung nutzen wir die Sammlung auch zur forschenden Lehre mit Studierenden. Letztlich aber verstehen wir uns als eine Sammlung für die Öffentlichkeit. Das soll mit der Lage des Baukunstarchivs NRW in einem ehemaligen Museum mitten in Dortmund und mit Veranstaltungen deutlich werden.
Wer finanziert und unterstützt das Archiv und seine Arbeit?
Im Januar 2016 gründeten die Stiftung Deutscher Architekten, die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen und der Förderverein für das Baukunstarchiv NRW e. V. die „Baukunstarchiv NRW gGmbH“. Die TU Dortmund ist Kooperationspartner der Gesellschaft und stellt dem Baukunstarchiv NRW den Bestand ihres Archivs für Architektur- und Ingenieurbaukunst NRW (A:AI) sowie die wissenschaftliche Leitung zur Verfügung. Die gGmbH trägt den laufenden Betrieb und die Stadt Dortmund stellt das mit Hilfe von Landesmitteln der Städtebauförderung renovierte Gebäude miet- und abgabenfrei zur Verfügung.
Sind Sie analog oder digital aufgestellt? Wie wichtig sind Originale heutzutage noch?
Das ist eine spannende Frage. Das Archiv der TU Dortmund nahm zunächst die Nachlässe der Nachkriegsarchitekten auf, bei denen sämtliches Material analog war: Handzeichnungen, die unsere Studierenden ungeheuer anrührend finden, wenn dort Spuren weggekratzter Tusche auf dem Transparent zu sehen sind. Aber auch jüngere Nachlässe oder Teilvorlässe, zum Beispiel der von Eckhard Gerber, bestehen primär aus Papier. Auch wenn wir bislang nur sehr wenig ausschließlich in digitaler Form vorliegen haben, ist klar, dass das kommen wird. Die Architekturproduktion findet ja schon seit über 20 Jahren digital statt. De facto ist das Archiv sehr analog, und das wird es auch bleiben: Modelle sind nun mal Objekte. Und Pläne werden bei uns immer auch auf Papier weiterexistieren. Das Analoge wird bei uns durch das Digitale höchstens erweitert.
Kann ich online recherchieren?
Das ist die Planung. Es gibt Sammlungen wie die des Architekturmuseums der TU Berlin, die vollständig digitalisiert im Netz stehen. Für die wichtigen Bestände wollen wir das auch. Wir beginnen gerade mit einem Pilotprojekt zu Peter Grund. Wir werden aber nicht jeden Brief und jede Akte digitalisieren. Vieles muss zunächst katalogisiert werden, denn wir sind ein vergleichsweise junges und noch wachsendes Archiv. Manches haben wir mitten in der Nacht vor dem Container gerettet. Das kann dann auch mal einige Jahre ungesichtet in Kartons lagern. Der Prozess vom Sichern, Ordnen und Katalogisieren wird nie abgeschlossen sein, da immer wieder neues Material dazu kommt.
Wie wurde aus dem ehemaligen Museum Ostwall das Baukunstarchiv NRW?
Mit dem Umbau beauftragt war das Büro Spital-Frenking + Schwarz (Lüdinghausen/Dortmund), das viel Erfahrung mit historischen Bauten hat. Umbau ist in unserem Fall aber das falsche Wort, eher war es eine Revitalisierung. Die größte Maßnahme war der Aufzug, der das Haus nun barrierefrei macht. Die innere Struktur und die Wirkung des Lichthofs, der 1911 in das Oberbergamt von 1875 eingebaut wurde, haben wir belassen.
Keine Schatzkammer also?
Schatz ja, Kammer nein. Unser Haus bringt eine sehr schöne Museumsatmosphäre mit, die wir erhalten und nutzen möchten. Es lebt davon, dass seine Geschichte in der Architektur ablesbar ist, denn auch dafür steht das Archiv.
Welches sind Ihre prominentesten Archivalien?
Unser wahrscheinlich kuriosestes und wahrscheinlich bedeutendstes Stück ist das Modell der Raumstadt von Eckhard Schulze-Fielitz aus dem Jahr 1968. Schulze-Fielitz hat solche Raumstadtmodelle schon 1959/60 mit Yona Friedman entwickelt. Doch unseres ist das größte Modell der strukturalistischen Raumstadtkonzepte, das tatsächlich überlebt hat. Und das, obwohl es extrem fragil ist und schon zu mehreren Ausstellungen ausgeliehen wurde. Dieses Paradestück werden wir natürlich auch in der Eröffnungsausstellung zeigen.
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Wolfgang Sonne
Baukunstarchiv NRW, Ansicht vom Ostwall, 2018
Baukunstarchiv NRW, Reinoldi-Lichthof, 2018
Baukunstarchiv NRW, Reinoldi-Lichthof und Umgang, 2018
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