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19.10.2018
Sauerbruch Hutton vor Diener + Diener
Wettbewerb für Hochhaus am Alexanderplatz Berlin entschieden
Von Gregor Harbusch
Zehn Hochhäuser sah Hans Kollhoff 1993 in seinem berühmt-berüchtigten Plan für den Berliner Alexanderplatz vor. Nach Jahren der Stagnation und Diskussion gibt es momentan für drei Projekte konkrete Pläne: Ortner & Ortner haben seit März die Baugenehmigung für ihren Alexander Berlin Capital Tower neben dem Einkaufszentrum Alexa. Frank Gehry und der Investor Hines zittern derweilen, da unter ihrem projektierten Hochhaus eine U-Bahnlinie verläuft und die BVG die Zustimmung gegen den Neubau verweigert.
Die Dritten, die sich über einen Großauftrag an prominenter Stelle freuen dürfen, sind Sauerbruch Hutton Architekten . Das Berliner Büro wurde heute Mittag auf einer Pressekonferenz als Gewinner des Wettbewerbs für ein Hochhaus mit Mischnutzung auf dem Baufeld D3 bekannt gegeben. Damit setzte es sich in der zweiten Phase eines geladenen Wettbewerbs mit ursprünglich neun Teilnehmern gegen Diener & Diener (Basel) durch, die ebenfalls zu einer Überarbeitung ihres Entwurfs aufgefordert worden waren.
Bauherr des Turms ist das französische Immobilienunternehmen Covivio, das in Berlin circa 20.000 Wohnungen und mehrere Hotels besitzt – unter anderem seit zwei Jahren das Park Inn, das auf Baufeld D2 steht. Der Abriss dieser Ikone der DDR-Nachkriegsarchitektur ist glücklicherweise vom Tisch. Stattdessen geht es nun um die Planung von zwei flankierenden Türmen nordwestlich (Baufeld D1) und südöstlich (Baufeld D3) des Park Inn.
Gepflegte Zurückhaltung
Die größte Überraschung bei der heutigen Präsentation ist die formale Zurückhaltung des Entwurfs. Wer spektakuläre Drehungen und Stapelungen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen entschied sich das Preisgericht unter Vorsitz von Markus Allmann für eine eigentümliche Mischung aus International Style und steinerner Fassadentektonik. Damit erweist der Entwurf auf gewisse Weise sowohl der DDR-Moderne seine Reverenz, als auch dem Berolina- und dem Alexanderhaus von Peter Behrens, auf deren Fassadenmaße sich die Architekten explizit beziehen.
In der städtebaulichen Setzung folgt der Entwurf von Sauerbruch Hutton den Vorgaben des zwischenzeitlich überarbeiteten Masterplans von Kollhoff, schafft also mit dem neungeschossigen, „großmaßstäblichen und wuchtigen“ Sockel am Alexanderplatz eine klare Kante. Demgegenüber orientiert sich das eigentliche Hochhaus zur Alexanderstraße. Da die von Kollhoff angepeilten 150 Meter Maximalhöhe für die Hochhäuser zwischenzeitlich auf 130 Meter reduziert wurden, entschieden sich Sauerbruch Hutton für eine Zweiteilung des Volumens mit Hilfe einer vertikalen Fuge. Damit möchten die Architekten trotz geringerer Höhe ein elegantes und schlankes Erscheinungsbild schaffen. An der Alexanderstraße wird die vertikale Lisenenordnung bis zum Boden durchgezogen, was zusätzlich zur Eleganz des vermeintlichen „Doppelturms“ beitragen soll. Die Architekten gehen sogar noch weiter und wollen die Fassaden der beiden Turmhälften farblich unterschiedlich gestalten. Für die Jury waren dies entscheidende formale Faktoren, das Projekt einstimmig als ersten Preis zu bestimmen.
Hybridzone, Nanoapartments und Garden-Club
Mindestens so wichtig wie die Fassadenfrage ist die des Programms. Im Hochhaus sind Büroflächen untergebracht. Im neungeschossigen Sockelbau hat sich die Covivio eine Mischung vorgenommen, die über das übliche Maß hinausgehen soll. Wenig überraschend ist, dass es im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss Verkaufsflächen und Gastronomie geben wird. Das zweite Obergeschoss wurde als „Hybridzone“ bezeichnet, in der nicht nur Verkauf sondern auch Co-Working Spaces vorgesehen sind.
In den sechs Geschossen darüber sollen für circa 500 Menschen Wohnungen entstehen, die um einen begrünten Innenhof angeordnet sind, an dem eine Kita vorgesehen ist. Neun Wohnungstypen – vom „Nanoapartment“ für Studierende mit 20 Quadratmetern bis zur Wohnung mit 95 Quadratmetern – schlagen die Architekten vor. Sozialwohnungen wird es nicht geben, sondern flächenoptimierte Mietwohnungen, die sich an den üblichen Marktpreisen orientieren. Außerdem geplant: Ein Fitnessstudio und ein halböffentlicher „Garden-Club“ für alle Nutzer des Hauses, von dem aus ein Garten auf dem Dach des Sockelbereichs erreicht wird. Für diesen und den Innenhof sind die Berliner Landschaftsarchitekten sinai verantwortlich. Das ganze Haus sei „eine kleine Stadt für sich“, schwärmte Matthias Sauerbruch bei der Präsentation seines Projekts.
Immer wieder wurde auf der Präsentation über Co-Working, Co-Living, neue Arbeitsformen und die Verbindung von Wohnen und Arbeiten innerhalb des Hauses gesprochen, um den Nutzungsmix des Projekts zu verdeutlichen. Klar, die Öffentlichkeit, die innerhalb des Hauses geschaffen wird ist relativ und exklusiv – auch wenn mit Primark ein Ankermieter gefunden wurde, der den kleinen Geldbeutel anspricht. Trotzdem: Im Vergleich zu vielen anderen großen Investorenprojekten, die momentan in Berlin geplant werden, könnte hier vielleicht tatsächlich ein gewisser Mehrwert an Nutzungsmischung entstehen. Immerhin gibt es – wenn alles gut geht – ab 2023 Studentenbuden direkt am Alex. Dass die nicht unbedingt billig sein werden, versteht sich von selbst.
Die Pläne aller neun Teilnehmer des zweiphasigen Wettbewerbs werden kommende Woche auf BauNetz publiziert.
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Neben dem berühmten Park Inn Hotel werden Sauerbruch Hutton ein Hochhaus mit Mischnutzung realisieren, dessen Sockelbereich den Alexanderplatz neu fassen soll.
Links im Bild ist der von Frank Gehry geplante Turm zu sehen. Für die beiden schematisch dargestellten Hochhäuser rechts im Bild liegen noch keine Planungen vor.
Auf dem Dachbereich des Sockelbaus soll ein aufwändiger, halböffentlicher Garten für alle Nutzer des Hauses entstehen, für dessen Gestaltung das Berliner Büro sinai Landschaftsarchitekten verantwortlich zeichnet.
Der bestehende Sockelbau des Park Inn Hotels wird bis zur fein gestrichelten Linie rückgebaut. Die durchlaufende Linie zeigt die Position des Neubaus an.