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19.09.2018
Japan trifft Schottland
Victoria and Albert Designmuseum von Kengo Kuma in Dundee eröffnet
Es ist ein absolut spektakulärer Bau, der vergangenen Samstag im schottischen Dundee eröffnete: Die Fertigstellung des Royal Victoria and Albert Museum von Kengo Kuma and Associates (Tokio) flutete die Feuilletons weltweit. Die 150.000 Einwohner-Stadt ist, wie das baskische Bilbao, eine mit den Folgen der Deindustrialisierung kämpfende Hafenstadt. Dass auch hier auf den sozio-ökonomischen Umschwung durch Kultur gesetzt wird, legt die Assoziation zu Frank O. Gehrys dortigem Guggenheim Museum nahe. Der erwartete „Dundee-Effekt“ wird allerdings mit anderen Mitteln erzielt.
Wobei das Problem im Wort „Effekt“ selbst liegt. Denn wie es für Kuma auch nicht verwundert, ist dieser hier maximal zweitrangig. Deutlich wurzelt die Architektur in der Umgebung und ihrer Geschichte. Mit zwei umgestülpten Pyramiden an der Uferkante des River Tay zitiert sie die zerklüfteten Klippen der Küste Nord-Ost-Schottlands. Die Schichten und Aushöhlungen des Felsens finden in den grobkörnigen, waagerechten Betonlamellen der Fassade ihre Entsprechung. Im oberen Bereich sind die verdrehten Gebäudeabschnitte verbunden und bilden einen grottenartigen Durchgang zum Wasser – als Reminiszenz an den Anfang der 1960er Jahre gesprengten viktorianischen Torbogen, der an derselben Stelle stand einerseits, an die romantisch-gälische Sage des Fingal's Cave andererseits.
Der in Eigenregie geleitete Ableger des Londoner V&A ist Teil einer von der Stadt mit einer Milliarde Pfund finanzierten Reaktivierung der Uferzone. Zu den umfassenden Transformationen gehören unter anderem auch einige triste Bürokisten und der neue Bahnhof, der ebenfalls bei seiner Eröffnung im Juli bereits mehr als alt aussah. Über all dies schwingt sich nun das Designmuseum elegant in die Höhe, und mit ihm soll sich dort nun endgültig einiges ändern: Der Durchgang zur Hafenkante soll einer Brücke zwischen Hightech und Natur und letztlich einer Aussöhnung der Dundonians mit ihrer Vergangenheit gleichkommen. Denn seit dem Niedergang des zur Jute-Produktion betriebenen Walfangs weist ihre Stadt die niedrigste Beschäftigungsrate im United Kingdom auf.
Kengo Kumas Museumsbau erinnert formal also durchaus auch an die Schiffbaunation Schottland. Und er verbindet diese Tradition inhaltlich mit der Aufforderung, sich auf die Macht der eigenen (schottischen) Kreativität zu besinnen. Ein gut gewählter Kniff, ist Dundee doch seit Anfang des Milleniums Standort zweier renommierter (Kunst-)Hochschulen und als Standort zur Entwicklung von Videogames weithin bekannt. Da scheinen auch die seit dem Wettbewerbsgewinn verstrichenen Jahre und die Kostenexplosion von den angesetzten 45 auf mehr als 80 Millionen Pfund nicht weiter zu stören.
Über einem mit toller Lichtregie überzeugenden – und mit Lamellen aus Holz einen Kontrapunkt zum harten Äußeren setzenden –, öffentlichen Foyer liegen die zwei Ausstellungsflächen, deren unabhängigen Eröffnungsausstellungen ebenfalls den beiden großen Themen gewidmet sind: Die kulturelle Relevanz von Luxusdampfern und die weltweiten Wechselbeziehungen schottischen Designs werden untersucht. Herzstück dieser zweiten Schau bildet übrigens ein Werk von Kengo Kumas Vorbild Charles R. Mackintosh: Mit der Ausstellung seines restaurierten Eiche-Raums schließt das V&A Dundee zu seiner Eröffnung somit einen Kreis: Der schottische Jugendstilmeister ließ sich für seine Planungen nämlich wiederum vom japanischen Handwerk inspirieren. (kms)
Fotos: Hufton + Crow
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