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13.09.2018

Dächer am Fluss

Kulturzentrum von SANAA in Tsuruoka


Es fällt schwer, bei diesem neuen Projekt von SANAA nicht an eine zeitgenössische Interpretation historischer Vorbilder zu denken. Ähneln die verspringenden Linien nicht entfernt den verschachtelten Dächern alter Schreine? Kazuyo Sejima und Ryūe Nishizawa benennen eine solche Referenz natürlich nicht, und innerhalb des Werkes des Tokioter Büros wäre ein solches Vorgehen auch eher unüblich. Trotzdem ist den beiden hier ein erstaunlich kontextbezogener Bau gelungen.

Realisiert wurde das Projekt in Tsuruoka im Nordwesten der Hauptinsel Honshū in der Präfektur Yamagata. Auf dem Grundstück mit viel Grün, das an einem schmalen Flusslauf liegt, steht auch eine alte Schule aus der Edo-Zeit vom Anfang des 18. Jahrhunderts. Direkt nebenan befindet sich außerdem ein Kunstzentrum des Architekten Akira Ozawa aus dem Jahr 2005. Die bestehenden kulturellen Nutzungen des Areals sollten ergänzt werden um eine Mehrzweckhalle, die Platz schafft für darstellende und performative Ausdrucksformen. Das geschwungene Dach dient laut der Architekten übrigens vor allem dem Zweck, das stattliche Volumen möglichst sanft in die Umgebung einzufügen.

Typologisch haben sich Sejima und Nishizawa aber durchaus von älteren Vorbildern inspirieren lassen. Sie beschreiben das Gebäude als Saya-do-Anlage, bei der eine große Halle von einem Korridor umschlossen wird. Dieser Korridor kann im Alltag auch von der Öffentlichkeit genutzt werden, ohne theatertypische räumliche Hierarchien zu schaffen. Bei Aufführungen lässt sich dann mittels einfacher Trennwände ein Backstagebereich herstellen. Studios, Proberäume und Büros ergänzen das Angebot, auch an die Kinderbetreuung ist laut Grundriss gedacht. Die Materialität oszilliert zwischen simplen Materialien und aufwändigen Finishings: Wellblech und Holz trifft auf spiegelnd polierten Beton, während schlanke Stützen und weiße Wände für ein typisches SANAA-Feeling sorgen.

Die Aufführungshalle orientiert sich in ihrem Layout an Hans Scharouns Weinberg-Modell, das hier aber mit Blick auf eine größere Veranstaltungsvielfalt mit einem richtigen Bühnenraum samt Turm modifiziert wurde. Der gestaffelte Zuschauerraum lässt noch einen zweiten Aspekt der Dachlandschaft erkennen: Sie stellt eine Analogie her zwischen der inneren Geometrie und der äußeren Hülle. sb

Fotos: SANAA


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