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20.06.2018
Umstrittene Nachverdichtung am Lützowufer
David Kohn Architects gewinnen Wettbewerb in Berlin
Nachdem im ersten Durchgang kein klarer Sieger ernannt und der erste Preis gleich zweimal vergeben wurde, steht nun nach einer Überarbeitungsphase das Ergebnis fest: Der Entwurf von David Kohn Architects aus London wird im Hof des Berliner Lützowufers realisiert. Das katalanische Büro Camps Felip Arquitecturia, das im Januar den zweiten ersten Preis erhalten hatte, ging leer aus. Damit ist das von der bayrischen Euroboden GmbH durchgeführte, zweistufige Gutachterverfahren abgeschlossen.
85 Eigentumswohnungen sollen in dem Neubau südlich des Tiergartens hinter gezackter Backsteinfassade realisiert werden. Zwischen einem und fünf Zimmern groß, als Etagenwohnung oder Penthouse. Insgesamt fünf Stockwerke und ein Staffelgeschoss sowie rund 7.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche sind vorgesehen. Der Entwurf, der in Zusammenarbeit mit dem Berliner Nord Studio entstand, wurde bereits in der vorigen Wettbewerbsstufe für seinen Städtebau gelobt, weil er, so die Jury, einen Bezug zur IBA-Bebauung als auch zur Industriearchitektur des gründerzeitlichen Pumpwerks – heute ein Jugendzentrum – im rückwärtigen Teil des Blocks herstelle.
Entschlackter Entwurf
Nach der Überarbeitung des Entwurfs ersetzt ein zentraler Glaseingang die beiden haushohen Treppenhäuser, die Fassade ist geglättet, die Grundrisse der Wirtschaftlichkeit zuliebe gestrafft. Klarheit im Konzept und Effizienz in den Flächen sprechen laut Jury für Kohns Entwurf, der damit sein erstes Großprojekt außerhalb des Vereinigten Königreiches realisieren könnte.
Inspirationsquelle für die mit Erkern gespickte Fassade waren das kunsthistorische Standardwerk „Das englische Haus“ von Hermann Muthesius und das Burghley House, ein typisches englisches Landschloss aus dem 16. Jahrhundert mit Türmen, Erkern, Vorsprüngen und kleinteiligen Fensterbändern. Realisiert werden soll die unebene Fassade mithilfe von gepressten Metallpanelen und Terrakottakacheln. Terrakotta ist auch auf der gemeinschaftlichen Dachterrasse in Form von Schornsteinen (Industriearchitektur!) wiederzufinden.
Protest formiert sich
Die Planungen von Euroboden und dessen architekturaffinem Chef Stefan Höglmaier haben Brisanz, weil derzeit über den Denkmalschutz für die IBA-Häuser und über einen Milieuschutz für das Viertel diskutiert wird. Zwar braucht Berlin dringend Wohnungen – das wie und wo aber ist umstritten. Vor allem die Mieter, die in den IBA-Häusern wohnen, sind gegen den geplanten Neubau. Er zerstöre die Lebensqualität in den anliegenden Häusern, heißt es von der Bürgerinitiative Lützowufer 1-5, die Euroboden eine rücksichtslose Bebauung ihres Hofes vorwirft.
Mit einem Riegel über die komplette Länge, nah an Terrassen und Wintergärten, werde die ursprüngliche Wohnanlage zerstört, heißt es. Diese sei 1987 als Beispiel für behutsamen, ökologischen und sozial verantwortlichen Neubau in der inneren Stadt konzipiert worden – inklusive unbebautem Hinterhof. „Die grüne Südseite ist ein notwendiger Gegenpol zum brutalen Vorderhaus, und der Licht- und Wärmeeinfall auf den Fassaden, der durch diese maximale Verdichtung verloren ginge, war damals Teil des Konzeptes der fünf Energiesparhäuser“, wird ein Mieter im Tagesspiegel zitiert. Eigentumswohnungen als reine Geldanlage, Luxuswohnungen, die nichts zur Lösung der Wohnungsfrage beitragen?
Dem Vorwurf einer Luxusimmobilie kann Euroboden-Sprecher Christian Brandes nichts abgewinnen. „Das ist ein pauschales Urteil, das hier nicht zutrifft“, so Brandes, „alle wollen Nachverdichtung, wir schaffen marktgerechten Wohnraum mit kleinen und mittleren Wohnungen zu adäquaten Preisen.“ Im Raum steht laut Medienberichten ein Projektvolumen von 40 Millionen Euro (nur Neubau) für 85 Wohnungen. Euroboden hatte das Grundstück inklusive der fünf IBA-Stadtvillen 2017 gekauft, der positive Bauvorbescheid für den Neubau ist erteilt. (kat)
Anm. der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrages hieß es: „75 Eigentumswohnungen sollen in dem Neubau südlich des Tiergartens hinter gezackter Backsteinfassade realisiert werden.“ „Insgesamt sieben Stockwerke und 9.645 Quadratmeter Bruttogrundfläche sind vorgesehen.“ „Im Raum steht laut Medienberichten ein Verkaufsvolumen für die 75 Wohnungen von 70 Millionen Euro.“ „...weil derzeit über den Denkmalschutz für die IBA-Häuser, ebenfalls im Besitz der Grünwalder Firma, und über einen Milieuschutz für das Viertel diskutiert wird.“ Die Informationen wurden entsprechend den Angaben der Euroboden GmbH korrigiert, die Kommentare, die sich auf die falschen Zahlen beziehen, gelöscht.
Anm. der Redaktion: Euroboden hat die Zahlen erneut korrigiert. In einer früheren Version hieß es „Im Raum steht laut Medienberichten ein Verkaufsvolumen für die 85 Wohnungen von 55 Millionen Euro“
Anm. der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags war von 9.645 Quadratmetern Bruttogrundfläche die Rede, diese Angabe haben David Kohn Architects nachträglich nach unten korrigiert.
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Kommentare:
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Nachverdichtet: Der fünfstöckige Neubau plus Staffelgeschoss (links) besetzt den Hof der IBA-Häuser von 1987.
85 Wohnungen, zwischen einem und vier Zimmern groß, sind geplant.
Schornsteine und andere Aufbauten aus Terracotta sollen den Bezug zur Industriearchitektur des alten Pumpwerks schaffen.
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