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11.06.2018
Am Ehrenmal der Bundeswehr
Raum der Information von TRU Architekten in Berlin
Von Gregor Harbusch
Wenn heute Abend der Raum der Information am Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin feierlich eröffnet wird, ist dies der bereits dritte Ort des Gedenkens an die Toten der Bundeswehr in Berlin und Umgebung, der innerhalb von zehn Jahren entstand. Doch die Situation ist weniger verwirrend als es im ersten Moment scheint.
Der nun von TRU Architekten (Berlin) realisierte Raum der Information ist nämlich als Ergänzung zum 2009 eröffneten Ehrenmal von Meck Architekten aus München gedacht. Die beiden Bauten am Rande des Geländes des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin sind wiederum nicht zu verwechseln mit dem 2014 eröffneten Wald der Erinnerung von RüthnickArchitekten (Berlin) am Standort des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Diese – laut Bundeswehr – „weltweit wohl einmalige Gedenkstätte“ hat weniger offiziellen Charakter, sondern richtet sich gezielt an die Hinterbliebenen und die Kameraden der Getöteten. Demgegenüber richtet sich der heute eröffnete Raum der Information an die breite Öffentlichkeit. Die Idee dazu entstand bereits, als das Ehrenmal konzipiert und gebaut wurde. Der Planungsauftrag geht auf einen nicht-offenen Wettbewerb zurück.
Dialog mit dem Ehrenmal
Der Neubau von TRU ergänzt das bestehende Ehrenmal der Bundeswehr sowohl inhaltlich als auch räumlich. Während das Ehrenmal im klassischen Sinn dem Gedenken der Toten gewidmet ist, werden im Raum der Information „einzelne Todesfälle und Todesumstände im Kontext der Geschichte der Bundeswehr und ihrer Aufgaben dargestellt“, wie die Architekten schreiben. Ein reichlich ambitioniertes Programm also, in dem sich auch ein gewisser Wille des Verteidigungsministeriums nach historischer Selbstreflexion widerspiegelt.
In architektonischer Hinsicht übten sich die Architekten im besten Sinne in Zurückhaltung und suchten die Korrespondenz mit dem Ehrenmal, indem sie dessen Gebäudetiefe und Materialität aufgriffen. Eingeschossig und geschlossen zeigt sich der Neubau. Allein die großen Bronzetore am Eingang mit den beleuchtbaren Eisernen Kreuzen verströmen ein gewisses militärisches Pathos. Doch im Inneren dominiert klare Sachlichkeit. Die Architekten setzten auf fein strukturierten Sichtbeton, gediegene Holzeinbauten in Eichenfurnier und ein dezent hinterleuchteten Ausstellungsdisplay aus Glasbändern.
Das durchlaufende, weiße Sheddach hat eher technischen Charakter: Hinter den transluzenten Scheiben liegen LED-Leisten für künstliches Licht, die mikroperforierte Metallverkleidung ist raumakustisch wirksam und automatisch gesteuerte Fensterklappen an den beiden Schmalseiten des Baus sorgen für dessen natürliche Durchlüftung. Auf Heizung und Klimatisierung des Hauses wurde verzichtet. Allein eine Fußbodenheizung sorgt bei extremem Frost für eine minimale Erwärmung des Hauses auf Null Grad. Man wolle damit die räumliche Einheit mit dem offenen Ehrenmal betonen, ließen die Verantwortlichen dazu verlauten.
Ähnlich wie beim Ehrenmal kann der Zugang reguliert werden: Im Alltag sind beide Bauten zum öffentlichen Raum der Straße orientiert und frei zugänglich. Zu besonderen Anlässen öffnen sie sich zum direkt angrenzenden Paradeplatz auf dem Gelände des Ministeriums. Die Lage direkt an der Grundstücksgrenze macht diese direkte Kommunikation mit der Öffentlichkeit möglich, auch wenn das Ensemble etwas abseits in der Nebenstraße eines traditionellen Botschafts- und Verwaltungsviertels liegt.
Informiertes Gedenken
Der Spagat zwischen wissenschaftlicher Sachlichkeit und subjektiver Emotionalität war für ihn eine der zentralen Herausforderungen, ließ Kurator Joachim Baur vom Berliner Büro Die Exponauten beim heutigen Pressetermin vor Ort wissen. Dass die Sachlichkeit am Schluss die Oberhand gewann, ist grundsätzlich begrüßenswert und spiegelt gleichzeitig das institutionelle Selbstverständnis der Behörde wieder, mit Tod und Trauer umzugehen. Drei Themen werden auf einem Zeitstrahl behandelt. Der Haupterzählstrang ist der Geschichte der Bundeswehr seit ihrer Gründung 1955 gewidmet und wird immer von Abschnitten zur Geschichte des Totengedenkens in der Bundeswehr durchsetzt.
Das dritte Themenfeld ist das vielleicht spannendste: Fallbeispiele von Todesfällen – sei es wegen unmenschlicher Rekrutenausbildung in der Nachkriegszeit, sei es wegen eines Hinterhalts der Taliban in Afghanistan. Die Fallbeispiele werden durch kurze, gut gemachte Filme auf Monitoren abgehandelt und wollen immer über das Einzelschicksal hinaus auf zeitgeschichtliche Zusammenhänge verweisen, wie Kurator Baur betont.
Sachlichkeit und Gefühl
So spannend diese Filme auch sind, am Ende überwiegt doch der Eindruck sachlicher Zurückhaltung sowohl in Ausstellung und Architektur. Dazu passt, dass auch der kleine Innenhof am hinteren Ende des Hauses, der zur Kontemplation einladen soll, ziemlich spartanisch ausfiel: weißer Kies, eine einzelne Hainbuche und drei Sichtbetonmauern, hinter denen die Überwachungskameras der Zufahrt herüberblicken. Auch die Betroffenen-Stimmen in einer Hörstation am Ende der Ausstellung – seltsamerweise gemischt mit einem feierlichen Gelöbnis – verharren teils in einem unterkühlten Tonfall.
Wirklich berührt wird man eigentlich nur ein einziges Mal in der Ausstellung, dafür aber umso heftiger und ziemlich unverhofft. In zwei der vier Sitzbänke wurden nämlich kleine Vitrinen integriert, in denen wechselnd Gegenstände ausgestellt werden sollen, die am Ehrenmal von Hinterbliebenen abgelegt wurden. Vielleicht eine der schönsten Ideen der Ausstellungsmacher. Hier stößt man auf eine bunte Kinderzeichnung, über die man nichts weiß, über die man nichts erfährt – und die gerade in ihrer persönlichen Unmittelbarkeit eine absolut notwendige Ergänzung gegenüber all den sachlichen Texten und historischen Bildern ist.
Fotos: Werner Huthmacher, Gregor Harbusch
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Durch zwei große Bronzetore kann der Zugang reguliert werden: Im Alltag ist das Haus zur Straße orientiert, bei besonderen Anlässen wird es zum Paradeplatz des Ministeriums geöffnet.
TRU Architekten realisierten einen sachlichen Baukörper aus fein bearbeitetem Sichtbeton und mit einem weißen Sheddach.
Auf den weißen Tafeln wird die Geschichte der Bundeswehr erzählt, auf den braunen die des Totengedenkens. Auf den Monitoren werden symptomatische Fallbeispiele von Todesfällen vorgestellt.
Am Ende der Ausstellung kommen die Hinterbliebenen zu Wort. Der Ausblick geht in einen kleinen, spartanischen Hof.
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