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18.12.2017
Sicher ohne Gitter
C.F. Møller bauen Gefängnis in Dänemark
Acht Büros hatten sich 2010 an einem Wettbewerb in der dänischen Provinz Falster beteiligt, der Zuschlag für das ungewöhnliche Projekt ging dann aber an C.F. Møller (Kopenhagen/Oslo/London): Ein Gefängnis für 250 Insassen sollte enstehen, auf 35.000 Quadratmeten am Rande von Wiesen und Äckern. Das humanste und resozialisierendste geschlossene Gefängnis der Welt werde ihr nun fertiggestellter Neubau sein, hoffen die Architekten.
Anders als andere Haftanstalten ist das Hochsicherheitsgefängnis Storstrøm nicht als burgartiger Trutzbau entworfen, sondern als eine kleine Stadt – auch wenn es natürlich trotzdem meterhohe Mauern gibt. Mit Straßen und Plätzen, an denen vier normale Gefängnisflügel, der Hochsicherheitstrakt, Besucherbereich und ein Personalgebäude angeordnet sind. Ein Gemeinschaftsgebäude dient außerdem als eine Art Marktplatz in der Mitte. Das Gefühl von Gefängnis soll auf ein Minimum reduziert werden.
Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, hat im Verständnis der Dänen einen tieferen Sinn. Schließlich geht es nicht nur um Strafe, sondern auch vor allem darum, die Gefangenen so gut wie möglich auf ein normales Leben nach dem Knast vorzubereiten. Die Architektur soll sie dazu sogar animieren. Vier bis sieben Zellen, alle mit zwei unvergitterten Fenstern, bilden jeweils eine Wohneinheit, zu der auch ein knallbuntes Wohnzimmer und eine Gemeinschaftsküche gehören. Kochen statt Knastkost.
Ganz ohne Überwachunsmaßnahmen auch auf Ebene der Architektur kommt dann allerdings auch dieses Gefängnis nicht aus. So sind die bodentiefen Fenster abgewinkelt, um ungewollte Kommunikation zu unterbinden, alle Ecken in den Zellen abgerundet und die 12,8 Quadratmeter großen Räume von der Tür aus einsehbar. Die Gefängnismauer wiederum ist „mit einer Reihe von Vertiefungen versehen, um einen abwechslungsreichen und weniger imposanten Ausdruck zu geben und die institutionalisierte Atmosphäre für die Insassen zu reduzieren“, so C.F. Møller.
Zurückgesetzte Fassaden, eckige Dachfirste, heller Backstein und ein Verbund aus Beton und verzinktem Stahl bestimmen das äußere Bild der zehn Gebäude, zu dem auch eine Werkstatt, eine Sporthalle, Fitnessräume und eine Kirche gehören. Die Gestaltung von Laufbahn, Fußball- und Basketballplätze und Landschaftspark stammen von Marianne Levinsen Landskab (Kopenhagen). Außenanlagen und Baukörper sind ebenfalls allesamt als gut einsehbare Räume konzipiert. Der Hochsicherheitstrakt ist zudem wie ein Gefängnis im Gefängnis nochmals baulich getrennt.
C.F. Møller sehen ihren Entwurf als Beitrag zur Reintegration, ihre Architektur als Teil der sozialen gesellschaftlichen Verantwortung. Auch das Dänische Institut für Menschenrechte konnte dem zustimmen. Schließlich wartet auf die meisten Insassen ein Leben nach der Haft. (kat)
Fotos: Torben Eskerod, Steen Paulsen
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Das runde Aktivitätsgebäude in der Mitte der Anlage dient als Treffpunkt.
Die zehn Gebäude sind wie in einem Landschaftspark arrangiert.
Raumhohe Fenster geben den Blick in die umgebende Landschaft frei.
Die gesamte Anlage ist rund 35.000 Quadratmeter groß.
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