RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Einfamilienhaus_in_Ostwestfalen_5260473.html

28.11.2017

Palladio im Sturm

Einfamilienhaus in Ostwestfalen


„Wann beginnt das Digitale in der Architektur?“, fragte kürzlich in einem dicken Essay-Band das Canadian Center of Architecture mit Blick auf die frühen Jahre des Entwerfens am Computer, das oft auch erstaunlich analog vonstatten ging. Dieses Einfamilienhaus im Ostwestfälischen lässt sich da passenderweise wie eine Meditation zum Thema lesen. Die Formfindung wäre vielleicht auch noch am Zeichenbrett zu bewerkstelligen gewesen, aber die noch junge Geschichte der digitalen Architektur ist trotzdem unverkennbar präsent.

Was ist hier geschehen? Die Büros One Fine Day (Düsseldorf) und architektur-werk-stadt Balhorn Wewer Karhoff (Paderborn) haben den Grundtypus des historischen Hallenhauses zunächst in eine Flügelanlage transformiert und diese schließlich mittels Software derart gedehnt und gedreht, bis inmitten einer lose besiedelten Auenlandschaft dieses so wunderbare wie wundersame Wohnhaus entstand. Einiges an Architekturtheorie ließen die Büros dabei in ihr Gebäude einfließen: Das Grundmodul des Hauses soll Palladios Neun-Quadrat-Raster nach Rudolf Wittkower entsprechen, wobei das Zentrum des Gebildes wie bei einem historischen westfälischen Hallenhaus als Gemeinschaftsraum ausgeformt ist. Von dieser Mitte aus entwickeln sich die Flügel der Anlage, was wirkt, als sei ein Sturm in die Mauern gefahren.

In Grundriss und Schnitt ist das soziale Zentrum des Hauses komplex gedacht, hier befinden sich die Küche und der gemeinsame Wohn- und Essbereich. Er reicht über zwei Etagen und ist mit großen Fenstern zum Garten geöffnet. Als geometrischer Schnittpunkt der ausschlagenden Flügel verfügt er außerdem über eine verwinkelte Dachstruktur, die dank scharfer Kanten im weißen Putz auch an der Decke zu erkennen ist. In den gebogenen Extremitäten sind wiederum die intimeren Bereiche des Wohnhauses untergebracht, was anhand von kleinen Fensteröffnungen auch auf der Fassade ablesbar ist.

So vielschichtig die Gebäudefigur, so einfach ihre Hülle: Gemäß örtlicher Bauart haben die Architekten das Einfamlienhaus aus Backstein errichten lassen und es – als Anspielung auf die weiße Moderne – schließlich weiß geschlämmt. Auch Fenster, Rahmungen, Geländer sind simpel gehalten. Lediglich das Dach offenbart mit seiner ungewöhnlichen Lamellenstruktur aus Zedernholz auch materiell die Vielschichtigkeit dieses schönen Baus. (sj)

Fotos: Christian Richters


Kommentare:
Kommentare (8) lesen / Meldung kommentieren


Alle Meldungen

<

28.11.2017

Kontemplation und Luxus

Museum im Südosten Chinas von DL Atelier

28.11.2017

Neben dem Konzerthaus

MVRDV planen im Werksviertel München

>
baunetz CAMPUS
Learning from Grabs
baunetz interior|design
Große Freiheit auf kleiner Fläche
Baunetz Architekt*innen
KRESINGS
Stellenmarkt
Neue Perspektive?
vgwort