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23.02.2017

Interview mit Dirk Lohan über seinen Großvater

Mies van der Rohes Collagen aus dem MoMA kommen nach Schweinfurt


Mies van der Rohes Entwurf für Nationalgalerie in Berlin hatte seinen Ursprung in Schweinfurt – jetzt kehrt das Werk des deutsch-amerikanischen Architekten zurück. Seine Collagen aus dem MoMA sind nach Aachen demnächst in der fränkischen Industriestadt zu sehen. Beim Symposium „Working with Mies“, das Ende Januar im Ludwig Forum statt fand, war auch sein Enkel Dirk Lohan zugegen. Mit 14 Jahren traf er seinen Großvater erstmals und war von seiner Skizzenkunst auf der Tischdecke im Restaurant derart beeindruckt, dass er selbst Architekt wurde. In Mies’ Büro in Chicago arbeitete er als enger Vertrauter des berühmten Architekten und begleitete den Bau der Nationalgalerie als Projektleiter. In Eigenregie konnte der 78-Jährige bis heute noch viele weitere Projekte realisieren – aber wie war das eigentlich mit seinem Großvater?

Von Luise Rellensmann


Herr Lohan, Sie haben Mies erst als Jugendlicher kennengelernt. Spielte die Architektur Ihres Großvaters in Ihrer Kindheit eine Rolle?

Meine Mutter hatte als Hochzeitsgeschenk von ihrem Vater eine komplette Einrichtung mit von ihm entworfenen Möbeln bekommen, statt Teppichboden gab es bei uns asiatische Bodenmatten. Das war besonders, wir lebten mit Mies.

Der Titel eines Symposiums in Aachen lautete „Working with Mies“. Wie war das Zusammenarbeiten mit Ihrem Großvater? Wie muss man sich die alltägliche Arbeit im Büro damals vorstellen?

Es war kein Achtstundentag, es wurde so lange gearbeitet bis die Arbeit erledigt war, manchmal die ganze Nacht hindurch. Wir waren ein internationales Büro. Da saßen ein Norweger und ein Isländer oder auch andere Deutsche wie Christoph Sattler aus München, die nach Chicago kamen, um für Mies zu arbeiten.

Er war damals ja schon sehr betagt, kam etwa um 11 Uhr ins Büro und blieb mehrere Stunden über Mittag. In der Modellwerkstatt bauten wir teilweise 1:1-Details, an denen etwa die Verbindung zwischen Wand und Fenster studiert und modifiziert wurden. Immer wieder spielten wir dann andere Möglichkeiten durch. Das war die Methode im Büro.

Mies scheint, anders als viele berühmte Architekten heute, sehr eng an allen Projekten beteiligt gewesen zu sein. Stimmt dieser Eindruck?

Ja sehr, außer er war krank. Ich bin daher viel mit ihm gereist, auch als er schon im Rollstuhl saß. Es war nicht immer einfach, den nicht gerade leichten Mann steile Treppen hinauf oder ins Flugzeug hinein zu bekommen. Ich habe dadurch viel über Barrierefreiheit gelernt, das gab es damals in den Planungen noch gar nicht. Seitdem bin ich sensibilisiert für das Thema.

Es heißt auch, Mies habe gerne nachts gearbeitet – geradezu als Einzelgänger.
Er war sehr oft und sehr gerne alleine, mit Kaffee oder Martini. Ich erinnere mich an einen Moment, als er schon krank war und wir Berlin besuchten. Während ich auf der Baustelle nach dem Rechten sah, saß er im Westberliner Hilton am Tiergarten und schaute aus dem Fenster. Nach etwa einer Woche hatten wir unsere Geschäfte abgeschlossen, ich wollte zurück nach Chicago fliegen, er aber lieber noch bleiben. Ich verstand das nicht, weil er ja nur im Hotel saß, und aus dem Fenster starrte. Das sagte ich ihm auch. Woraufhin er entgegnete: „Was soll das heißen? Ich arbeite!“

In den USA galt Mies als schweigsamer Mensch, was aber daran lag, dass er im Alter von 52 Jahren ohne ein Wort Englisch zu sprechen dorthin ausgewandert war. Er sprach English mit einem starken deutschen Akzent. In seiner Muttersprache war er viel wortgewandter und auch witziger.

Die wenigen öffentlichen Fotos aus dem Büro lassen eine Art hedonistische Moderne erkennen, sozusagen ein Leben zwischen Zeichenbrett, Zigarre und Martini. Muss man sich das Lebensgefühl vorstellen wie bei den Mad Men der New Yorker Werbebranche?

Als junge Architekten trugen wir alle weiße Hemden und schwarze Krawatte. Heute wird auf Parties viel Wein getrunken, damals trank man Schnaps und Whisky – „hard liquor“ wie die Amerikaner sagen. Einmal haben wir in meiner Wohnung an einem Wettbewerb gearbeitet und versucht, unter meinem Couchtisch – Mies’ Barcelona-Tisch – hindurch Limbo zu tanzen.

Die Collagen, denen die Ausstellung gewidmet ist, zeigen ebenfalls eine mondäne Stimmung. Wissen Sie, auf welche Weise Ihr Großvater an deren Entstehungsprozess beteiligt war?

Er hat das Format der Collagen entwickelt. Die frühen Collagen hat er selbst proportioniert und die geschnittenen Papiere platziert, später haben das die Mitarbeiter gemacht und er hat kommentiert.

Am IIT ließ er die Studierenden entsprechend ausbilden: Walter Peterhans, der vom Bauhaus kam und mit Mies und Ludwig Hilberseimer gearbeitet hatte, unterrichtete das „Visual Training“, wo Ästhetik, Proportion und Farbverbindungen besprochen wurden.

Was war der Verwendungszweck der Collagen?

Mies benutze zwei Methoden, um seine Arbeiten den Bauherren oder der Öffentlichkeit zu präsentieren: das Modell oder mit Collagen entwickelte 3D-Perspektiven. Ein wichtiges Element der Collagen ist das Einbinden von Kunstwerken seiner Zeit, Skulpturen oder Bilder, die er drehte oder vergrößerte und als ganze Wände in seine Collagen einsetzte.

Im Gegensatz zu Ihrem Großvater leben Sie in den Lake Shore Drive Apartments, also in einem seiner Häuser. Was gefällt ihnen daran?

Ich wollte schon als Jugendlicher in genau diesem Haus wohnen. Ich lebe ganz oben, im 26. Geschoss. Glas von Boden bis Decke, Blicke nach Osten, Norden und Westen. Die Wohnung stammt aber nicht ursprünglich von Mies, sondern wurde individuell angepasst – unter anderem mit eigener Klimaanlage und einem Holzfeuerkamin. Es sind vier Wohneinheiten, die ich zusammengelegt habe. Dabei habe ich von dem Konstruktionsprinzip profitiert, davon dass die Wände nicht tragend sind.

In Guben würde man gerne Mies
’ frühe Villa Wolf rekonstrukieren. Was würde Ihr Großvater dazu sagen?
Ich versuche, mich da raus zu halten, ich bin bewusst kein Mies-Historiker geworden, sondern ein Architekt mit einem eigenen Werk. Ich habe ihn mal gefragt, welche seiner Bauten er gerne erhalten sehen würde. Diese Frage interessierte ihn nicht, darüber solle die nachfolgende Generation entscheiden. Er war in jeder Hinsicht bescheiden und gleichzeitig ein Mann, der eine außergewöhnliche Würde ausstrahlte, er hatte Gravitas.

Mies’ Collagen aus dem MoMA


Ausstellung: 26. Februar 2017 bis 28. Mai 2017
Ort: Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt

www.museumgeorgschaefer.de


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Dirk Lohan 2017 in Aachen

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Mies van der Rohe mit seinem Enkel

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