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31.01.2017

Aufstocken und Ermahnen

Neuer Architekturführer Münster wird vorgestellt


Der alte Dom St. Paulus aus dem 9. Jahrhundert, die manierierte Gotik der Lambertikirche aus dem 14. und 15. Jahrhundert oder der Barock Conrad Schlauns – die Architektur im westfälischen Münster hat in der klassischen Kunstgeschichte ihren festen Platz. Siedlungen des Neuen Bauens, das Theater aus den Fünfzigern, Bürotürme der Siebziger oder die bekannte Stadtbücherei von Bolles+Wilson (1987–93) zeigen aber auch, dass sich in Münster von der frühen Moderne bis zur zeitgenössischen Architektur fast jede Stilart des Landes widerspiegelt. Dass die Architekturstadt Münster eine systematische Untersuchung wert ist, haben die Kunsthistorikerin Sylvaine Hänsel und der Architekt und Architekturjournalist Stefan Rethfeld bereits 2008 mit ihrem Architekturführer im Reimer Verlag bewiesen.

Doch seit 2008 hat sich viel in Münster verändert: Volker Staab setzte mittlerweile einen markanten Erweiterungsbau an das Landesmuseum, die Wohnungsfrage griff auf ihre Art auf die wohlhabende Universitätsstadt über und das große Transformationsgebiet am Hafen entwickelte sich stetig weiter. Nun haben die beiden Autoren eine zweite, überarbeitete Ausgabe des Buches vorgelegt. 400 Bauten und Gebäudeensembles – anstelle von 365 wie in der ersten, bereits vergriffenen Auflage – haben Rethfeld und Hänsel nun topographisch nach Stadtvierteln und Stadtteilen geordnet. Jedes Bauwerk wird ebenbürtig in Text, Bild und Grundriss dargestellt.

Mit ihrer Auswahl setzen sie – noch mehr als 2008 – auf einen erweiterten Baudenkmal-Begriff, denn mit 40 Skulpturen nehmen sie einen Typus in ihre Publikation auf, der selten unter diese Kategorie fällt. Das hängt vor allem mit der spezifischen Rolle Münsters zusammen, das seit 1977 alle zehn Jahre die internationale Kunstschau „Skulptur Projekte“ auslobt. Mit den Billardkugeln am Aasee von Claes Oldenburg oder Thomas Schüttes Kirschensäule dokumentieren einige der dauerhaft im Stadtbild erhaltenen Skulpturen mittlerweile auch 40 Jahre neuere Kunstgeschichte. Ein Einführungstext von Hänsel geht ausführlich auf die Rolle dieses Langzeitprojekts für Münster ein.

Keine Rundgänge und wenig subjektive Einflüsse wie bei Konkurrenzpublikationen, sondern eine systematische Auflistung aller erwähnenswerten Baudenkmäler, einschließlich ausdifferenzierter Indizes, bietet dieser konsequente Architekturführer. Eine fundierte Einführung in die Stadtgeschichte schafft die inhaltliche Basis zu den kurzen Projekttexten. Trotz sachlicher Aufbereitung schlägt sich in dieser dankbaren Dokumentationsquelle doch ein wenig Subjektivität nieder: Lobenswerterweise nahmen Hänsel und Rethfeld auch intelligente An- und Umbauten mit in ihre Auswahl auf und interpretieren beispielsweise Projekte wie die Umnutzung eines Speichers am Hafen von Pfeiffer · Ellermann · Preckel als vollwertige Baudenkmäler. Ebenso scheuten sie sich nicht, die vom Abriss bedrohte Versöhnungskirche im Kreuzviertel (1962/1963 von Gerti Elliger-Gonser und Hans-Jörg Gonser) demonstrativ in die Neuauflage aufzunehmen. (sj)

Architekturführer Münster

2., überarbeitete Auflage
Sylvaine Hänsel/Stefan Rethfeld

Deutsch – Englisch

übersetzt von Lucinda Rennison
mit Architekturaufnahmen von Roland Borgmann
Dietrich Reimer Verlag, 2017
350 Seiten mit 630 Fotos, 210 Grund-, Aufrissen und Plänen
24,90 Euro

www.reimer-mann-verlag.de


Zum Thema:

Am Mittwoch, den 1. Februar 2017, wird es einen Gesprächsabend anlässlich der Neuauflage des Architekturführers Münster geben. Mit der Fragestellung nach dem Stellenwert von Architektur und Kunst in Münster werden die Autoren des Architekturführers Münster Sylvaine Hänsel und Stefan Rethfeld mit Frank R. Werner (Architekturhistoriker) und Marianne Wagner (Kuratorin, Skulptur Projekte 2017) diskutieren.

Diskussion: Welchen Stellenwert haben Architektur und Kunst in Münster?
Termin:
Mittwoch, 1. Februar 2017, 20.00 Uhr, Eintritt frei
Ort:
Stadtbücherei, Zeitungslesesaal, Alter Steinweg 11, 48143 Münster



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