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16.01.2017
Haus mit Brücke
Wohnhaus in Québec von Atelier Pierre Thibault
Die Seenlandschaft in Kanada erscheint aus europäischer Sicht unendlich weitläufig und als ein Sehnsuchtsort unberührter Natur. Kurze heiße Sommer und lange, schneereiche Winter prägen das Leben. Sowohl die traditionellen als auch die meisten zeitgenössischen Bauten in diesen Gegenden weitab großer Ansiedlungen sind denkbar einfach. In den kleinen Ortschaften an den Ufern der unzähligen Seen dominieren kompakte Holzhäuser mit farbigen Fassaden, Giebeldächern, Veranden, kleinen Fenstern und frei von architektonischem Schnickschnack – reduziert und gezeichnet von den teils extremen Wetterverhältnissen. Das Atelier Pierre Thibault (Québec) hat in diesem architektonisch weitgehend anspruchslosen Kontext ein bemerkenswertes Haus für eine junge Familie realisiert, das sich deutlich von der einfachen und bodenständigen Baukultur vor Ort abhebt und ein Bekenntnis zu zeitgenössischer Offenheit ist. Am Ufer des Lac des Piles – ungefähr auf halbem Weg zwischen Montréal und Québec gelegen – wurde im letzten Sommer das Haus La Grande passerelle fertig gestellt.
Interessant ist nicht zuletzt die Setzung und Orientierung des Hauses am abschüssigen Seeufer. Die Architekten teilten das Bauvolumen in zwei schmale Flügel auf, die durch eine geschlossene, teils verglaste Brücke – die namensgebende Passerelle – miteinander verbunden sind. Die Flügel stehen parallel zueinander und zum Seeufer, zwischen ihnen liegt der Garten. Der seeabgewandte Teil des Hauses umfasst den Zugang von der Straße, die Garage und einen darunter liegenden Trainingsraum. Der zum Seeufer orientierte Flügel dient dem eigentlichen Wohnen. Aufgrund der Hanglage erstreckt sich dieser Flügel über drei Ebenen. Der Zugang erfolgt über die Brücke, auf der man in das oberste Geschoss des Wohnbereichs gelangt, in dem die Schlafräume liegen. Von hier aus führt eine Treppe in den fast vollständig verglasten Wohnbereich ins Erdgeschoss hinab. Sowohl die Längsorientierung zum See und die geringe Tiefe des Flügels als auch die raumhohe, umlaufende Verglasung machen den Wohnbereich zu einem Schwellenraum zwischen Land und Wasser, der sich in seiner Transparenz völlig zur Natur öffnet. Im halboffenen, nur einfach verglasten Wintergarten mit eigenem Kamin an der Schmalseite des Hauses wird diese Idee von Schwelle und Naturnähe zusätzlich unterstrichen.
Wenn man von viel hellem Holz spricht, das hier verbaut wurde, handekt es sich nicht um eine Plattitüde. Die Präsenz des Materials ist – wie in den meisten Projekten Pierre Thibaults – substantiell für das Haus. Die klare Organisation des Gebäudes und die Materialisierung schaffen eine warme Wohnatmosphäre, die man auch vor dem Hintergrund der langen Winter in Kanada sehen muss. Bemerkenswerterweise haben die Architekten aber keine winterlichen Aufnahmen des Hauses publiziert, obwohl Holzarchitektur in schneebedecker Landschaft durchaus als gängiger Bildtopos gelten darf. Man muss sich also ganz auf die eigene Fantasie verlassen, wenn man sich das lichte Haus am Seeufer in tief verschneiter Landschaft vorstellen möchte. (gh)
Fotos: Maxime Brouillet
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