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20.12.2016
Spezialist für Wohnhochhäuser
Magnus Kaminiarz im Interview
An über einem halben Dutzend Wohnhochhäusern arbeitet Magnus Kaminiarz gerade mit seinem Büro – fünf allein in Frankfurt, weitere in Wien und Düsseldorf. Eines seiner Projekte – der Grand Tower an der Europa-Allee der Main-Metropole – wird nach der Fertigstellung Deutschlands höchstes Gebäude mit Wohnnutzung sein. Wie wird man innerhalb weniger Jahre zum führenden Spezialisten für diese Typologie – und setzt sich der globale Trend zum Leben in luftiger Höhe nun auch in Deutschland durch? Magnus Kaminiarz über Gemeinschaftseinrichtungen, die Arbeit mit Helmut Jahn und seine Vorliebe für Skinny Tall Buildings.
Von Stephan Becker
Herr Kaminiarz, Wohnhochhäuser hatten in Deutschland lange Zeit einen eher schlechten Ruf – ändert sich das gerade?
Die geringe Wertschätzung dieser Typologie war ja oft eher eine Frage des Städtebaus, wo in Großsiedlungen wie der Gropiusstadt in Berlin vergleichsweise spartanische Hochhaus-Konglomerate hochgezogen wurden. Mit solchen Projekten haben die neuen Türme, die derzeit entstehen, nicht viel zu tun. Und das ist keine Frage von Luxus. Viel wichtiger ist das Thema der Identifikation mit dem Gebäude, beispielsweise über Gemeinschaftsbereiche, die einen das Haus auch jenseits der eigenen Wohnung erleben lassen. Es entstehen außerdem auch keine kompletten Siedlungen mehr, sondern vor allem schlanke Solitäre in attraktiven Lagen – auch das verändert das Bild vom Hochhaus zum Positiven.
Städtebaulich sind Hochhäuser allerdings noch immer eine Herausforderung.
Es braucht eine klar nachvollziehbare Planungsidee, ja, und auf das Umfeld kommt es natürlich auch an. Was beispielsweise eine Stadt wie Frankfurt eher prädestiniert macht als, sagen wir, Bremen. In der Bankenmetropole hat man sich, nicht zuletzt über den Hochhausrahmenplan, jahrzehntelang mit dem Thema auseinandergesetzt, während man andernorts gut sehen kann, wie willkürlich gesetzte Hochhäuser problematische Konsequenzen haben können. Wobei natürlich nicht jedes Hochhaus ein signature building sein muss. Auch kleinere Formate sind interessant und lassen sich leichter in die Umgebung integrieren.
Unterscheidet sich das Leben im Hochhaus von anderen Wohnformen?
Für mich ist Wohnen etwas sehr Konservatives, das sich in seinen Grundzügen seit Jahrtausenden nicht verändert hat: Man braucht ein Dach über dem Kopf, man möchte es warm oder auch kühl haben, eine Türe schließen oder aus dem Fenster gucken. Ob man jetzt mehr oder weniger Platz hat oder eine offene Küche, ändert daran eigentlich nichts. Aber gleichzeitig gibt es doch auch besondere Qualitäten, die sich aus der Höhe ergeben, wie beispielsweise eine besondere Privatsphäre, weil die Wohnungen schlicht nicht einsehbar sind. Die Höhe erlaubt Transparenz, die aber nur dann Spaß macht, wenn es auch Außenflächen gibt – und die möchte man wiederum, wie bei einem Bungalow, von allen Räumen aus betreten können. Das stärkt die Privatsphäre, weil man beispielsweise auf Reinigungsgondeln verzichten kann. Aus solchen Prinzipien ergibt sich schließlich eine Grundform, bei der man eigentlich nichts mehr weglassen kann. Das war jedenfalls unser Ansatz beim Wettbewerb für den Grand Tower, der dann ja auch die Jury überzeugt hat.
Erinnern Sie sich noch, welches Hochhaus Sie als erstes begeistert hat?
Im Studium haben Hochhäuser für mich keine große Rolle gespielt, auch in den ersten Berufsjahren nicht. Aber mein Vater ist ebenfalls Architekt, und da bekommt man natürlich schon als Kind einiges mit. Als gebürtiger Bremer fand ich natürlich das Hochhaus von Alvar Aalto in der Neuen Vahr spannend, das sich durch seine schlanken Proportionen und die abwechslungsreiche Fassade auszeichnet. Frühe Erinnerung habe ich außerdem an Arne Jacobsens SAS-Hochhaus in Kopenhagen, weil meine Familie zum Teil aus Skandinavien stammt.
Was muss man tun, um aktuell mit Wohnhochhäusern erfolgreich zu sein?
Eine gute Frage. Mich interessiert in der Architektur eigentlich immer die Aufgabe, die ich gerade habe, und mein Traum war es gar nicht unbedingt ein Hochhaus zu bauen. Die Einladung zum Wettbewerb für den Grand Tower hat uns erreicht und sicherlich war es gut, dass wir uns da ganz entspannt darauf einlassen konnten. Wir haben dann unsere Grundüberlegungen zum Wohnen entwickelt, und seitdem arbeiten wir nach diesen Prinzipien auch an anderen Hochhausprojekten. Offensichtlich machen wir etwas richtig – umso mehr, weil trotz dieser Prinzipien sehr eigenständige Entwürfe entstehen.
Wie unterscheidet sich die Hochhausarchitektur weltweit?
Ich denke, von einigen technischen Fragen abgesehen, sind die Spezifika nicht so erwähnenswert. Klar, in der Schweiz muss die Klimaanlage geräuschlos sein, während sie in Amerika deutlich hörbar sein sollte. Aber sonst? Die Bedeutung von gemeinschaftlich genutzten Flächen ist anderswo immer noch deutlich ausgeprägter als bei uns. Ob das jetzt etwas ist, was nur ein Hochhaus braucht, oder ob das auch für andere große Gebäude gilt, ist eine spannende Frage. Mit dem Grand Tower machen wir auch einen großen Schritt in diese Richtung.
Dafür beeindruckt in Deutschland nicht selten die Konsequenz, mit der eine bestimmte Projektidee verfolgt wird. In Chicago gibt es beispielsweise den Aqua Tower von Studio Gang, der mit seinen Balkonen auf Fotos zumindest interessant aussieht. Im Stadtraum wirkt das aber gar nicht, das Hochhaus sieht aus wie ein schwarzer Block. Und ich glaube, das gibt es dort öfters, dass irgendwelche Effekte appliziert werden, ohne dass sie auch eine tiefere Wirkung haben.
Wo gibt es im Hochhausbau Platz für Innovationen?
Wenn man davon ausgeht, dass Wohnen etwas sehr Konservatives ist, braucht es ja womöglich gar keine Innovationen. In architektonischer Hinsicht gefällt mir bei unserem Projekt Tower 90, dass das Verhältnis von Kern zu Höhe in die Kategorie Super Skinny Tall Building fällt. Auch wenn das Gebäude selbst nicht so hoch ist, ergeben sich daraus interessante Potentiale, die es so bisher nicht gab. Markant ist bei diesem Projekt die begrünte Fassade, die nicht nur eine Spielerei ist, sondern die eine ökologische Funktion haben wird, wie ein Gutachten von Werner Sobek zeigt. Bei einem Footprint von 700 Quadratmetern erzielen wir auf die Fassade umgerechnet eine Grünfläche, die so groß ist wie der Römerberg – und das ist etwas Neues.
Bezüglich der Grundrissgestaltung scheinen die Wohnhochhäuser der Gegenwart allerdings deutlich banaler als zu sein als noch vor ein paar Jahrzehnten.
Na ja, man kann Entscheidungen für Grundrisse als Architekt ja nicht alleine durchsetzen. Man gibt Anregungen für die Bauherren oder den Markt. Beim Grand Tower hatten wir auch große Maisonette-Wohnungen vorgesehen, aber solche Einheiten verkaufen sich nicht so leicht. Liebhaber finden sich für solche Wohnungen schon, aber vielleicht nicht unbedingt genug, um ein ganzes Hochhaus zu füllen. Was nicht heißt, dass solche Wünsche nicht auch erfüllt werden sollten. Die Frage ist eher, in welcher Form und wo.
Am Tower 90 arbeiten Sie zusammen mit Helmut Jahn. Wie kam es dazu?
Das Projekt entsteht ja direkt gegenüber von unserem Grand Tower und mir schien es sinnvoll, für den Wettbewerb noch eine weitere Entwurfshaltung mit ins Boot zu holen – nicht zuletzt, damit wir uns nicht wiederholen. Wir haben Helmut Jahn einfach angefragt, ob er sich das vorstellen könne und schnell festgestellt, dass sich unsere Ideen perfekt ergänzen. Ich fand es auch toll, mit ihm genau 25 Jahre nach Fertigstellung seines Messeturms etwas zu machen, der heute so wichtig für die Stadt ist.
Bisher sind Ihre Projekte alles Punkthochhäuser. Hätten Sie auch mal Lust auf eine Scheibe?
Eher nicht, nein. Städtebaulich sind Scheiben oft problematisch, weil sie so viel Raum verstellen. Natürlich kommt das auch auf den Kontext an, in Hamburg-Nord oder Kopenhagen gibt es durchaus spannende gelungene Beispiele. Aber das sind eher Solitäre. Und Vorteile, etwa die Möglichkeit des Durchwohnens, lassen sich zumindest teilweise auch im Punkthochhaus erzielen. Beim Grand Tower haben viele der Wohnungen beispielsweise zwei Außenfassaden über Eck.
Statt Scheiben also lieber mehr Skinny Tower?
Ja bitte – das klingt auch besser. Aber im Ernst, im Moment scheinen mir Punkthäuser einfach sympathischer zu sein. Natürlich ist das auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit, was sich wiederum in der Nachfrage der Bauherren spiegelt. Andererseits werden wir allein schon aufgrund der niedrigeren Grundstückspreise in Deutschland auf absehbare Zeit keine Skinny Towers nach New Yorker Art haben. Wenn dort der Aufzug wegfällt, sind die Wohnungen ja oft nur noch halb so groß.
Apropos Amerika – Ihr Buch-Favorit: „Delirious New York“ von Rem Koolhaas oder „High Rise“ von J.G. Ballard?
Ganz ehrlich, im Moment ein ganz anderes Buch und zwar ein Bildband über die Ruinen-Architektur auf der japanischen Hashima-Insel von Yves Marchand und Romain Meffre. Die diente bis 1974 dem Kohleabbau und ist extrem dicht bebaut. Die Bilder zeigen einen morbiden Charme zwischen völlig heruntergekommenen und scheinbar erst gestern verlassenen Räumen mit Möbeln. Das hat nun mit meiner täglichen Arbeit wirklich gar nichts zu tun, aber vielleicht ist es gerade deshalb so inspirierend.
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Magnus Kaminiarz
Grand Tower an der Europa-Allee in Frankfurt am Main
Umlaufende Balkone sorgen beim Grand Tower für Privatsphäre
An der Stiftstraße ebenfalls in Frankfurt entstehen drei Wohntürme mit steinerner Fassade
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