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29.08.2016

Vom Ku’damm bis zur Spree

Berlin will Masterplan City West


Ein Kommentar von Stephan Becker

Wer das Karstadt-Kaufhaus am Kurfürstendamm betritt, meint, die Zeit ist stehengeblieben: Gräuliche Linoleum-Kacheln, niedrige Akustikdecken und bleiches Neonlicht versprühen den Charme der Siebzigerjahre, der sich hier seit dem Mauerfall deutlich länger gehalten hat als irgendwo sonst in der Stadt. Die City West, eine verschlafene Insel am Rande der neuen Weltstadt Berlin-Mitte? Bereits ein Ausflug ins Restaurant im obersten Stock des Kaufhauses belehrt einen eines Besseren. Aus mittelhoher Perspektive lässt sich mit dem Upper West nach Waldorf Astoria und Bikini-Haus das nächste prominente Projekt im Westen bewundern – zwischen Zoo und Breitscheidplatz tut sich gerade einiges.

An Entwicklungsreserven mangelt es dabei nicht – von Hinterhofgrundstücken, die sich aktivieren lassen, über größere Areale zwischen S-Bahn und Landwehrkanal bis hin zu den Knotenpunkten Bahnhof Zoo und Ernst-Reuter-Platz, die schon seit Jahren auf neue Impulse warten. Hatte man bisher allerdings die vielen Teilbereiche eher isoliert betrachtet, soll nun nach dem Willen der Politik eine integrierte Perspektive entstehen. Als „Masterplan City West“ bezeichnen der zuständige Senator Andreas Geisel und der Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann das Vorhaben, das die Transformation des Zentrums von Charlottenburg-Wilmersdorf vorantreiben soll – der Beginn des offiziellen Planungsverfahrens ist für den Spätherbst avisiert.

Bei der Vorstellung des Projekts heute Morgen waren die beiden SPD-Politiker Geisel und Naumann aber zunächst mal darum bemüht, keine allzu engen Vorgaben für das Verfahren zu formulieren – schließlich sollen sich die Gedanken möglichst frei entfalten können. Einige Tendenzen wurden allerdings trotzdem erkennbar, zumindest was bestimmte Investoren-Wünsche betrifft. Dazu gehören – wenig verwunderlich – vor allem Abrissvorhaben wie schon im Falle des Aschinger-Hauses. Das denkmalgeschütze Hutmacher-Haus direkt gegenüber des Bahnhofs könnte dabei ebenso verschwinden wie eines der Bürogebäude am Ernst-Reuter-Platz. Dort soll das Telefunken-Hochhaus einen etwa 70 Meter hohen Zwillingsbau bekommen, der allerdings das ästhetische Gleichgewicht des ebenfalls denkmalgeschützen Platzes maßgeblich stören könnte.

Deutlich klarer formulierte seine Wünsche zudem der ebenfalls geladene Vorsitzende der Interessenvertretung AG City, Klaus-Jürgen Meier, der sich noch immer ein Hochhaus am Rande des Hardenbergplatzes gut vorstellen kann. Bereits 2014 hatte Christoph Langhof hierfür ein Konzept vorgelegt – die beiden Politiker zeigen sich allerdings bis jetzt nicht überzeugt. Weitere Schwerpunkte des Masterplan-Verfahrens dürften sich hingegen als deutlich weniger kontrovers erweisen – nach dem Modell der kooperativen Baulandentwicklung könnten an der Hertzallee nahe der Universitätsbibliothek von TU Berlin und UdK neben Büros auch Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten entstehen. Und dass bei den riesigen Arealen der beiden Universitäten großer Handlungsbedarf besteht, dürfte ebenfalls unbestritten sein.

Was bei dieser ersten Vorstellung des Masterplan-Vorhabens nicht wirklich greifbar wurde, waren Ansätze für eine übergeordnete Vision – und dass, obwohl es ja beim „Masterplan City West“ gerade um den Gesamtzusammenhang gehen soll. Mit dem einstigen „Zentrum am Zoo“ wurde hier in den Fünfziger- und Sechzigerjahren eine starke Vorstellung vom neuen urbanen Leben formuliert, doch welche Ideen könnten heute der City West ihre Form geben? Das Thema Nachhaltigkeit gehört jedenfalls nicht dazu, wenn sich zeigt, dass sich nicht einmal Politik dem in Charlottenburg-Wilmersdorf gerade virulenten Trend zum Abriss vieler Nachkriegsbauten entschieden entgegenstellt. Bis zum Start der Verfahrens im Herbst ist aber ja noch Zeit – und eine Wahl müssen die Verantwortlichen bis dahin auch noch gewinnen. Kein Wunder also, dass das Vorhaben bisher vor allem nach Aktionismus klingt.



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