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19.08.2016
Backstein-Expressionismus
Bremer Landesbank von Caruso St John eröffnet
Moderne, Postmoderne und Expressionismus – heutige Begriffe für Architekturepochen und -stilrichtungen orientieren sich hingegen eher an der Popkultur. Zumindest in der BILD-Zeitung kennt man eine solche Kategorie: „Das ist hier keine ,Lady-Gaga-Architektur‘, eher schlicht und wertvoll“, soll der Vorstand der Bremer Landesbank, Guido Brune, letzte Woche zur Eröffnung seiner neuen Zentrale gesagt haben. Am 8. August 2016 wurde der Neubau am Kirchhof nach dreieinhalb Jahren Bauzeit eingeweiht.
Dass man die Architektur von Caruso St John, die für den Neubau verantwortlich zeichnen, präziser als mit einem Lady-Gaga-Antonym beschreiben kann, setzen wir bei unseren Lesern voraus. Die Londoner Architekten wurden in Bremen nicht zufällig beauftragt, sondern konnten sich mit ihrem Entwurf 2011 in einem Wettbewerb gegen Staab Architekten, das Bremer Büro Hilmer Lamprecht Architekten (3. Preis) und Max Dudler (2. Preis) durchsetzen. Damals lobte man besonders die „regionale Identität“ – der rote Backstein passe eben hervorragend auf den Domshof, sagt Guido Brune heute. Und Caruso St John passen zur Baukultur in Bremen.
Ihre dunkle Ziegelfassade setzt sich aus 64 verschiedenen Steinformen zusammen, die ein dreidimensionales Fassadenrelief formen, wobei man sofort an den Backstein-Expressionismus der Zwanzigerjahre denken muss. Adam Caruso und Peter St John schaffen mit ihren Bauten stets Stimmungen, die sich aus einer Vielfalt an historischen Referenzen speisen – ihr Interesse gilt der „emotionalen Dimension des Bauens“: einer Architektur, die eine verbindliche Präsenz mit einer eigenen Identität schafft und nicht um ihre eigene Originalität kreist. „Keine Lady-Gaga-Architektur“ ist da natürlich kürzer.
Wie „emotional“ aber kann man für eine Landesbank bauen? Bei dem neuen Geldhaus zwischen der UNESCO-Welterbestätte Bremer Rathaus und dem St.-Petri-Dom, also mitten im historischen Stadtkern Bremens, gelingt den Londoner Architekten eine selbstbewusste Zurückhaltung jenseits der traurigen Rasterfassade, die heute so viele Innenstädte ziert. Gebaut wurde auf den vorhandenen Kellerwänden und den alten Fundamenten unter der historischen Fassade des Stammhauses – das alte Bankgebäude von 1969/1970 war sowohl technisch unwirtschaftlich als auch von den Abläufen her nicht mehr zeitgemäß.
Dass die Sanierung zu kostspielig geworden wäre, konnte man im Bankhaus schnell ausrechnen – das Bauvorhaben trägt also eher keinen Anteil an der aktuellen Finanzkrise der Bremer Landesbank. Mit insgesamt 24.000 Quadratmeter BGF hat der Neubau der Bankzentrale 50 Millionen Euro gekostet. In seinem Inneren gruppieren sich die Kunden- und Büroräume um einen ovalen Innenhof, der mit 36 Meter Länge und 17 Meter Breite eine Lichtung in dem Monumentalbau bildet. Auch eine Bank muss mal atmen. (jk)
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