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19.04.2016
Die Zeit als Freund und Feind
David Chipperfield im Interview
Letzten Mittwoch wurde auf der Berliner Museumsinsel Richtfest für die James-Simon-Galerie gefeiert – gute Gelegenheit für ein kurzes Interview mit dem Architekten. David Chipperfield über Arbeitsprozesse, Architekturkritik und den Palast der Republik.
Von Dina Dorothea Dönch
Die James-Simon-Galerie wird das Eingangsgebäude zum Ensemble Museumsinsel sein. Was bedeutet es, die verschiedenen Museen auf diese Weise zu verbinden?
Das Gebäude hat verschiedene Aufgaben, eine davon ist die Museen zu verbinden. Zur Zeit müssen die Besucher die Insel verlassen, um vom Pergamon-Museum zu den anderen Museen zu gelangen und umgekehrt. Ich denke, dass mit dem Gebäude ein neuer Ort entsteht, der der Museumsinsel eine neue gesellschaftliche Funktionalität verleiht.
Das Projekt ist nach einer Persönlichkeit benannt: James Simon. Hat dieser Name den Entwurf beeinflusst?
Nein, eigentlich nicht. Ich denke, die Namenswahl war wichtig, um von dem Titel „Neues Eingangsgebäude“ wegzukommen. „Neues Eingangsgebäude“ klingt nicht besonders romantisch. Das Gebäude ist eigentlich eine Sammlung von Funktionen: Auditorium, Sonderausstellungen – es wird also ein dynamisches Gebäude sein. Hier werden die Lichter länger brennen als in den einzelnen Museen. Es ist kein Eingang, sondern ein Ort zum Verweilen. Ich denke, dass mit James Simon ein sehr interessanter, symbolischer Name gefunden wurde.
Wie das Neue Museum war auch die James-Simon-Galerie ein Langzeit-Projekt. Brauchen diese Projekte viel Zeit, um sich zu entwickeln?
Zeit ist gut und schlecht, sie ist zugleich Freund und Feind: Ein Freund, wenn sie einem die Möglichkeit gibt, intensiver zu arbeiten, gute Diskussionen zu führen und gut zu planen. Und ein Feind, wenn sie nicht konstruktiv genutzt wird, wenn es Fehler in der Bauausführung gibt oder man auf ausstehende Entscheidungen wartet – das kann den geistigen Arbeitsprozess unterbrechen. Das Neue Museum brauchte diese Zeit, weil es ein anspruchsvolles Projekt mit vielen Details war.
Sie waren in der Jury für das Humboldt-Forum. Es entsteht nun zeitgleich mit der James-Simon-Galerie. Hat dieses Projekt in unmittelbarer Nähe Ihren Entwurf beeinflusst?
Es gab keine große Verbindung im Planungsprozess. Ich bin vom Konzept des Humboldt-Forums überzeugt. Auch die Kubatur des Gebäudes, dass die Rückseite des Schlosses mit demselben Volumen aufgefüllt wird, überzeugt mich. Ich habe allerdings nie die Notwendigkeit gesehen, eine genaue Kopie der historischen Fassade zu schaffen. Mit dem Neuen Museum haben wir versucht zu zeigen, dass man respektvoll mit der Geschichte umgehen kann, ohne kopieren zu wollen. Letztlich wünschen wir uns doch alle, dass das Humboldt-Forum ein Erfolg wird.
Das Potsdamer Stadtschloss wurde auf ähnliche Weise wieder aufgebaut. In beiden Städten wurden oder werden DDR-Bauten dafür abgerissen. Manche sagen, sie seien erhaltenswert. Was meinen Sie dazu?
Der Palast der Republik war ein schwieriger Bau. Er war nicht besonders schön und städtebaulich nicht gut. Insofern wäre es schwierig gewesen, ihn zu erhalten. Andererseits sehe ich eine Gefahr darin, Geschichte so schnell zu beseitigen und war damals nicht überzeugt davon, wie es geschehen ist. Berlins Geschichte ist sehr komplex und es ist etwas Gutes, wenn die Diskussion darüber gut geführt wird. Wir hatten großes Glück. Auf der Museumsinsel haben wir uns hervorragend geeinigt, das Denkmalamt hat uns unterstützt. Alles, was wir hier erreicht haben, haben wir durch gute Gespräche erreicht.
Sie haben mal gesagt, Sie mögen theoretische Texte über Architektur. Es gibt nicht viele Architekturmagazine, die solche Inhalte bieten. Glauben Sie, wir brauchen mehr davon?
Ich denke, dass unabhängige Architekturkritik sehr wichtig ist. Sie muss unabhängig von Wirtschaft und Politik sein. Jede Diskussion über Architektur in einer größeren Stadt – besonders in London – konzentriert sich auf Wirtschaft oder Politik und die unabhängige Stimme der Architektur oder Stadtplanung geht verloren. Das ist ein Problem, wir brauchen diese Stimme.
Glauben Sie, dass die Debatte über Nachhaltigkeit den Umgang mit Architektur verändern wird?
Nachhaltigkeit im Sinne der Energiebilanz ist ein schwieriges Thema, aber im Sinne von Umnutzung statt Abriss von Gebäuden wird Nachhaltigkeit wichtiger werden. Niemand will ein gutes Gebäude abreißen. Wenn wir also qualitativ hochwertige Architektur machen, ist das nachhaltig.
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