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14.01.2016

Erste Hilfe

Pritzker-Preis für Alejandro Aravena – ein Kommentar


Von Stephan Becker

Es ist eine Nachricht, mit der wohl nur wenige gerechnet haben. War Alejandro Aravena bis 2015 noch selbst Mitglied der Jury, gab die Hyatt Foundation gestern bekannt, dass der Chilene 2016 den Pritzker-Preis erhält. Nach Ryue Nishizawa ist der 48jährige damit der zweitjüngste je ausgezeichnete Architekt. Die Zeremonie wird Anfang April in New York im UN-Hauptquartier stattfinden – durchaus ein passender Ort. Denn geehrt wird Aravena auch für seine soziale Agenda, was gut zu einer Organisation passt, die sich um das friedliche Zusammenleben der Menschen bemüht.

Mit Aravena wird außerdem erstmalig ein amtierender Direktor der Architekturbiennale in Venedig prämiert, was zeigt, dass seine Ideen aktuell von besonderem Interesse sind. Dass Aravena mit seinem Büro Elemental bisher nur wenige Bauten von vielleicht guter, aber keineswegs herausragender Qualität verwirklicht hat, scheint dabei sekundär. Aravena ist vor allem Symbol für eine bestimmte Art, Architektur zu betreiben. In ihrer Begründung verweist die Jury denn auch insbesondere auf sein Engagement für den sozialen Wohnungsbau, den Aravena weniger als Bauaufgabe, sondern als kollektiven Prozess versteht.

Mit der Entscheidung für Aravena vollzieht sich also endgültig ein Paradigmenwechsel, der sich schon seit ein paar Jahren angedeutet hatte. War der Pritzker-Preis früher tatsächlich eine Art Nobelpreis, der vor allem für das Lebenswerk eines Architekten vergeben wurde, ging es in den letzten Jahren zunehmend um die Auszeichnung aktueller Relevanz. Wobei in diesem Jahr selbst die Jury unter Vorsitz von Peter Palumbo anmerkt, dass bei Aravena das Beste wahrscheinlich erst noch kommt – man könnte auch sagen: kommen muss.

So ehrenvoll und nachvollziehbar angesichts der aktuellen Weltlage die Auszeichnung von Aravena ist, so gefährlich ist die Entscheidung für den Preis selbst. Denn gute Intentionen haben viele Architekten und ebenso gibt es viele Preise, mit denen sich diese dekorieren lassen. Der Pritzker-Preis hingegen stand bisher dafür, dass es nur sehr wenigen Menschen gelingt, ihre bahnbrechenden Ideen auch wirklich überzeugend und über Jahrzehnte hinweg umzusetzen. Ohne diese Voraussetzung steigt die Zahl der Kandidaten ins Unendliche und der Preis verliert an Relevanz.

Aber auch für die Disziplin selbst ist die Entscheidung nicht ohne Brisanz. In ihren besten Momenten verspricht Architektur nämlich eine andere Welt und Büros wie Lacaton & Vassal zeugen davon, dass dies durchaus mit sozialen Projekten möglich ist. Aravenas Arbeit erinnert dagegen eher an architektonische „Erste Hilfe“ – absolut notwendig und vielleicht sogar mit transformatorischem Potential, aber trotz allem gefangen in der Logik der Gegenwart. Dem fehlt schlicht das Versprechen – die Vision einer Welt, in der es so etwas wie sozialen Wohnungsbau gar nicht mehr braucht.

www.pritzkerprize.com


Zum Thema:

Mehr über Alejandro Aravena und sein Büro auch in der Baunetzwoche#388 Elemental: Weiterbauen


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Alejandro Aravena, Foto: Cristobal Palma

Alejandro Aravena, Foto: Cristobal Palma

Park für Kinder in Santiago de Chile von 2012, Foto: Cristobal Palma

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Sozialer Wohnungsbau in Iquique von 2004, Foto: Elemental

Sozialer Wohnungsbau in Iquique von 2004, Foto: Elemental

Innovation Center der Universidad Católica in Santiago de Chile von 2014, Foto: Nina Vidic

Innovation Center der Universidad Católica in Santiago de Chile von 2014, Foto: Nina Vidic

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