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22.10.2015

Think big

München bekommt einen neuen Konzertsaal


Ein Kommentar von Nadin Heinich

Anfang Dezember fällt die Entscheidung für den Standort des neuen Konzertsaals in München – nach fast fünfzehn Jahren Diskussion. Am Dienstag hat das Bayerische Kabinett beschlossen, mit zwei privaten Investoren zu verhandeln. Was heißt das für die Entwicklung der Stadt?

Für Nicht-Münchner: In der Stadt sind zwei international renommierte Spitzenorchester beheimatet, die Münchner Philharmoniker sowie das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Es gibt aber nur ein Haus, den Gasteig, mit Hausrecht für die Philharmoniker. Seit Anfang der 2000er Jahre wird diskutiert, diverse Standorte wurden vorgeschlagen und wieder verworfen, inklusive eines nicht realisierten Wettbewerbs. Diesen Sommer wurde, parallel zum Beschluss, den Gasteig ab 2020 zu sanieren, das Frankfurter Büro Albert Speer und Partner vom Bayerischen Wissenschaftsministerium beauftragt, in einer Machbarkeitsstudie fünf verschiedene Standorte zu prüfen: den im historischen Stadtzentrum gelegenen Finanzgarten und den Apothekerhof in der Residenz, den Olympiapark sowie das Werksviertel und die Paketposthalle im Osten beziehungsweise Westen der Stadt.

Im Ergebnis dieser Studie – seit Ende letzter Woche liegt sie dem Ministerium vor, wurde jedoch noch nicht veröffentlicht – wurden die beiden letztgenannten Standorte am besten bewertet. Es sind beides Projekte privater Investoren. Als Favorit gilt das Werksviertel, ein ehemaliges Industrieareal, u. a. mit den Optimolwerken und der Knödelproduktion von Pfanni, das ab Mitte der 90er Jahre als „Kunstpark Ost“ mit Diskotheken und Clubs zwischengenutzt wurde und das nun nach einem Entwurf von Steidle Architekten zu einem neuen Stadtviertel weiterentwickelt wird. Hier könnte man „sofort“ anfangen zu bauen. Bei der Paketposthalle handelt es sich um eine riesige, denkmalgeschützte Halle aus den 1960er Jahren, bei Errichtung das weitestgespannte Bauwerk weltweit, die einst von der Post als Paketverteilzentrum geplant und inzwischen eher provisorisch als Briefverteilzentrum genutzt wird. Soll hier ein Konzertsaal entstehen, wie es der Projektvorschlag der Gruppe um Architekt Joachim Jürke, Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard und Rechtsanwalt Josef Nachmann vorsieht, muss erst die Post umziehen. Das dauert länger. Jedoch wird die Post im Anbetracht der Stadtentwicklung mittelfristig sowieso umziehen müssen.

Dass die meisten „Klassikfreunde“ die Innenstadt favorisieren, überrascht nicht. Es ist gut für München, dass die „Peripherie“ diskutiert wird. Die Stadt wächst, mit dem starken Flüchtlingszustrom um so mehr. Und immer noch gibt es nur das eine, zu kleine, „perfekte“ Zentrum. Da kommt Kulturbauten auch im größeren Maßstab eine immer wichtigere identifikatorische Kraft zu, Stadt zu gestalten. Der Konzertsaal ist eine riesige Chance für München. Wünschen würde man sich eine stärker langfristig orientierte Diskussion über die Perspektive der Stadt. Baubeginn 2018, denn dann sind Wahlen. Es ist absurd, dass es jetzt, nachdem man über zehn Jahre diskutiert hat, vor allem darum geht, möglichst schnell bauen zu können.

Industriecharme als Sehnsuchtsort – das Werksviertel ist für München speziell, im internationalen Vergleich jedoch überhaupt nicht. Und das Stadtviertel würde auch ohne Konzertsaal funktionieren. Hier einen Konzertsaal zu bauen, wäre eine Entscheidung, die niemandem weh tut. Die Paketposthalle ist ein bisher verborgenes Juwel der Stadt. In ihrer Klarheit und Erhabenheit wäre sie das viel stärkere Statement. Die Zeiten egozentrischer BMW-Welten à la Coop Himmelb(l)au sind vorbei, intelligente Umnutzungen sind das „neue Sexy“, die neuen Stars. Die Paketposthalle zum Konzertsaal weiterzuentwickeln, ist eine einmalige Chance, eine sowieso anstehende, sinnvolle Nachnutzung zu finden. Für diese Lösung braucht es mehr Mut – und der ist München zu wünschen.


Zum Thema:

www.die-resonanz.de – Konzertsaal in der Paketposthalle
www.werksviertel.de – Mehr zum künftigen Werksviertel


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Paketposthalle von Rudolf Rosenfeld, Herbert Zettel mit Ulrich Finsterwalder und Helmut Bomhard, 1969, Foto: Stefan Müller-Naumann

Paketposthalle von Rudolf Rosenfeld, Herbert Zettel mit Ulrich Finsterwalder und Helmut Bomhard, 1969, Foto: Stefan Müller-Naumann

Foto: Stefan Müller-Naumann

Foto: Stefan Müller-Naumann

Projektvorschlag für den Standort Paketposthalle von Jürke Architekten

Projektvorschlag für den Standort Paketposthalle von Jürke Architekten

Visualisierung des künftigen Werksviertels von Steidle Architekten

Visualisierung des künftigen Werksviertels von Steidle Architekten

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