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06.12.2012

Im Bildergedächtnis der Menschheit

Zum Tod von Oscar Niemeyer


„Kurvenstar der Architektur“ und „tropisch erhitzte Moderne“: Wenn es um Oscar Niemeyer ging, waren griffige Slogans stets wohlfeil. Der brasilianische Architekt, der sich stets mit dem Nimbus des Leichtfüßigen umgab, hat auch jenseits der Hundert noch gezeichnet, entworfen und die Frauen verehrt.

Niemeyer bezeichnete sich als Kommunisten und hasste den rechten Winkel. Im hohen Alter wurde er weltweit als „Stararchitekt“ gehandelt und versorgte die Welt mit nicht immer schlüssigen Entwürfen für Kulturzentren, Museen oder Spaßbäder. Sein Werk, das 600 Projekte umfassen soll, ist aber untrennbar mit Brasília, der Hauptstadt aus der Retorte, verbunden.

Eine der wenigen utopischen Stadtneugründungen der Moderne, nur noch vergleichbar mit Le Corbusiers Chandigarh, setzte den wichtigsten Akzent seiner Karriere. Zusammen mit Lucio Costa entwarf er dort 1957-64 den Städtebau und eigenverantwortlich die wichtigsten Regierungsbauten, die fortan in das Bildergedächtnis der Menschheit eingingen – wie die beiden gegensinnig angeordneten Schüsseln des Parlamentspalastes mit den zwei schlanken Türmen in der Mitte. Wegen der sozialen Probleme in der Hauptstadt hat Niemeyer Brasília später als „nicht gelungenes Experiment“ bezeichnet.

Seine Karriere begann der junge Niemeyer ab 1934 als Mitarbeiter von Lucio Costa, wo er an dem Entwurf für das Bildungsministerium in Rio (1936) beteiligt war. Dieses Bauvorhaben führte zu einer Begegnung mit Le Corbusier, der es als Berater begleitete. 1947 bis 1953 war Niemeyer der Vertreter Le Corbusiers im Planungsgremium der UNO für das Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York. Spätestens hier hatte sich Niemeyers Architektursprache herausgebildet: Die rechteckige Sichtbeton-Moderne wurde bei ihm stets durch kurvige Formen konterkariert.

Oscar Niemeyers Brasília wurde 1987 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Der Architekt selbst erhielt unzählige Preise und Auszeichnungen, darunter den den Pritzker-Preis (1988), die Goldmedaille des RIBA (1996) und den Praemium Imperiale (2004). Am Mittwoch ist er in Rio de Janeiro im Alter von 104 Jahren gestorben.


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