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05.12.2012

Gesellschaftshaus Palmengarten 1871/1929/2012

Wiedereröffnung in Frankfurt nach Sanierung durch David Chipperfield


Das Gesellschaftshaus Palmengarten in Frankfurt/Main hat(te) viele Eltern, Gesichter und Rollen. Seine Geschichte reicht von 1871 bis zum Abschluss der letzten Sanierung durch David Chipperfield Architects im Sommer 2012. In Betrieb ist das umgebaute Haus seit Anfang September; am 8. Dezember wird es mit einem offiziellen Festakt wiedereröffnet.

In Frankfurts gutbürgerlichem Stadtteil Westend war mit dem Gesellschaftshaus Palmengarten ein einzigartiges Ensemble aus Gebäuden und Gartenanlagen gewachsen. Der bauliche Höhepunkt zur Einweihung 1871 war der Glaspalast, eine damals hochmoderne freitragende Eisenkonstruktion mit 1.500 Quadratmetern Fläche für Palmen und andere Pflanzen. Mit direktem Blick in diese exotische Kulisse schloss der überbordend geschmückte Festsaal mit klassizistischer Fassade an. Lange währte die Begeisterung der Gäste nicht, denn 1878 brannte das Gesellschaftshaus vollständig aus. Die Versicherungssumme, Spenden und Lotteriegelder machten es möglich: Bereits ein gutes Jahr später wurde die Wiedereröffnung gefeiert. Den Festsaal dekorierte Friedrich von Thiersch im Stil der Neo-Renaissance. Noch vor der Jahrhundertwende wurde dem Saal ein weiteres „Facelifting“ verordnet, diesmal ein gründerzeitliches.

30 Jahre später wurde der Zustand von den Vertretern der Moderne als „unpraktische Attrappenarchitektur“ bezeichnet. Ernst May, seit 1925 Stadtbaurat im Frankfurter Hochbauamt, Martin Elsaesser, zeitgleich als künstlerischer Leiter des Amts berufen, und Werner Hebebrand waren für die Pläne der Neugestaltung verantwortlich. Das Gesellschaftshaus Palmengarten ist eines der wenigen Vorhaben, an dem May und Elsaesser gemeinsam arbeiteten. Ihr Rollenverhältnis war angespannt; ihre Aufgabenbereiche waren schon vor der Einstellung aufgeteilt worden: May war als Siedlungsexperte hauptsächlich für die Wohnraumbeschaffung, Elsaesser für die repräsentativen Großbauten des Neuen Frankfurt zuständig. Wer welchen Anteil am neuen Gesellschaftshaus hatte, ist im Detail nicht mehr nachvollziehbar. Martin Elsaesser jedenfalls legte die Entwürfe mit dem Bauantrag im Mai 1928 vor und betonte, dass es sich zunächst um den ersten von drei Bauabschnitten handle.

Nach Süden wurde ein ganz dem Neuen Bauen entsprechender, hell und glatt verputzter Bau aus geometrischen Gebäudeteilen vorgeblendet, ein eindeutiges Bekenntnis gegen den historisierenden Bestand. Dieser Gegensatz sollte lange bestehen bleiben; die Geldknappheit verhinderte alle weiteren Bauabschnitte. Der Grundriss des Neubaus ordnete den veralteten Gastronomiebetrieb neu, das war der pragmatische Aspekt des Entwurfs. Der sinnliche diente der Inszenierung der Pflanzen.

Wenn auch der westlich halbrund hervorstehende Hochzeitssaal und der östliche Klubraum jeweils einen eigenen Charakter erhielten, die eigentliche Attraktion des neuen Gebäudes war der mittige Restaurantsaal mit tiefen Ausbuchtungen aus Doppelglaswänden im Rhythmus von gut zwei Metern. In diesen Nischen saßen die Gäste auf zierlichen Stahlrohrmöbeln und waren dreiseitig von Pflanzen umgeben. Direkt vorgelagert ist eine große Terrasse; typisch für die Reformgedanken der Zeit war der Übergang zwischen drinnen und draußen fließend. Eine weitere Terrasse liegt vor dem zurückgesetzten ersten Stock.

Von einem historisierenden Gesamteindruck war nun nichts mehr übrig. Ernst May betonte, dass die Anlage durch den gesellschaftlichen Wandel nicht mehr nur der Erholung der gehobenen Schicht dienen könne, sondern eine „Volkserholungsstätte“ für breite Schichten sei. Bevor es soweit war, wurde das Gesellschaftshaus allerdings im September 1929 stolz den Kollegen anlässlich des 2. Congrès International d´Architecture Moderne (CIAM) vorgeführt. Für Elsaesser hatte der auch in der Fach- und Tagespresse hochgelobte Bau ein unerfreuliches Nachspiel: Da May 1930 Frankfurt Richtung Sowjetunion verließ, sah er sich 1932 allein mit den Vorwürfen zu Kostenüberschreitungen und Bauschäden – das leidige Flachdach! – konfrontiert.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Ensemble teilweise zerstört, danach zweckentfremdet, die Schäden erst 1954 beseitigt, dafür das Restaurant je nach Zeitgeschmack mehrfach umgebaut. Seit 1986 steht das Gesellschaftshaus unter Denkmalschutz, seit 2002 standen die Räume leer. Das Büro David Chipperfield Architects baute den Komplex von April 2009 bis Juni 2012 um, sanierte und ergänzte ihn. Die Devise des Büros war (nicht zum ersten Mal), mit dem Bestand respektvoll umzugehen, die Geschichte allerdings nicht zu kopieren. Die Planer sahen die Maßnahmen als ergänzende Wiederherstellung.

Der Festsaal wurde in den Zustand von 1871 gebracht, der Blick ins Glashaus ist wieder frei, die Decke erhielt ihr dreiteiliges Oberlicht zurück, diesmal sogar mit Klarglas. Der neue Westflügel passt sich dem Ensemble an. Der May-Elsaessersche Anbau erscheint wieder dichter am Original von 1929, als es die zwischenzeitlichen Überformungen waren. Das östliche Treppenhaus ist nach Elsaesserschem Vorbild restauriert. Das Hauptcharakteristikum, die bepflanzten Glasnischen, sind allerdings den Kosten und der neuen Nutzung als Foyer zum Opfer gefallen. Die verschiedenen Zeitschichten sind aber wieder ablesbar.

Den Frankfurtern, die das Feinschmecker-Lokal im ehemaligen Hochzeitssaal oder Veranstaltungen aufsuchen, hat es besonders der Zeitsprung angetan, der sie im Festsaal ans Ende des 19. Jahrhunderts zurück versetzt. Allerdings ausgestattet mit modernster Veranstaltungstechnik. (Christina Gräwe)



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Gesellschaftshaus nach der Sanierung 2012

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Gesellschaftshaus 1932

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David Chipperfield bei der Presseführung

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