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11.10.2012

Camping, Cabanon und E.1027

BauNetz Classics: Le Corbusier in Roquebrune


Le Corbusier ist 1965 beim Baden im Meer in Roquebrune-Cap Martin an der Côte d’Azur ertrunken. Er war 77 Jahre alt. Geboren worden ist er vor 125 Jahren am 6. Oktober 1887. Der Ort seines Todes war kein Zufall: In Roquebrune verbrachte LC seit dem Krieg regelmäßig seine Sommerferien – und kümmerte sich hier unter anderem um Kleinaufträge des Restaurantbesitzers Thomas Rebutato. Das alles kann man vor Ort heute noch an einigen kleinen Bauten festmachen.

Begonnen hatte es mit der Villa E.1027, die die irische Möbeldesignerin Eileen Gray 1926-29 auf einem Hanggrundstück über der Bucht von Monaco für sich selbst und ihren 16 Jahre jüngeren Freund, den rumänischen Architekten Jean Badovici entwarf – als Ferienhaus, aber auch als modernen Demonstrationsbau. Im Gegensatz zu Le Corbusier, für den Häuser „Maschinen zum Wohnen“ waren, beschrieb Gray ihr im Einklang mit Topographie und Natur entworfenes Haus als lebendigen Organismus, als Erweiterung menschlicher Erfahrungen. Das hielt Le Corbusier nicht davon ab, von der Villa E.1027 fasziniert zu sein, mehr noch: Er sollte das Haus später auf übergriffige Weise in Besitz nehmen.
 
Doch zunächst waren Le Corbusier und seine Frau Yvonne häufige und gern gesehene Gäste in der Villa. 1932 trennten sich Gray und Badovici; sie überließ ihm die Villa zur Nutzung. Das Ehepaar Corbusier kam weiterhin regelmäßig hierhin. 1938/39 dann bemalte der Architekt in Abwesenheit der Gastgeber und gegen Eileen Grays Willen fünf Wände mit großflächigen Fresken. Was er als Geschenk verstanden wissen wollte, empfand Gray schlicht als „Vandalismus“. Neuere Studien interpretieren Le Corbusiers eigenmächtige Aneignung sogar als sexuell konnotiert; so spricht Gray-Biograph Peter Adam im Jahr 2000 von einer „Vergewaltigung“. Durch Fotos verbürgt ist jedenfalls, dass der Meister vollständig unbekleidet war, als er die Fresken malte.
 
1951-52 schließlich manifestierte Le Corbusier seine Obsession für den Ort durch den Bau einer eigenen minimalistischen Hütte auf einem Nachbargrundstück schräg oberhalb der E.1027: Er schwatzte dem Gastwirt Thomas Rebutato, einem früheren Klempner aus Nizza, einen Streifen Land ab, der an dessen winziges Restaurant „Etoile du Mer“ angrenzte. Le Corbusier baute sein berühmt gewordenes Cabanon nach Modulor-Maßen auf einer Grundfläche von 3,66 x 3,66 Metern für seine Frau und sich – wobei es jeden Besucher der heute noch gut erhaltenen Hütte befremden muss, dass der egomane Meister nur eine vollwertige Schlafstatt einrichten ließ: Yvonne musste auf dem Boden schlafen.
 
Wesentlich weniger bekannt ist ein drittes Bauwerk in unmittelbarer Nähe: Le Corbusier hatte für Rebutato, bei dem er zu essen pflegte und mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verband, ab 1948 zwei Studien für Ferienanlagen entwickelt. Wie üblich, erhielten die Projekte Kurzbezeichnungen in Großbuchstaben: ROQ und ROB. ROQ war eine Ferienanlage mit 30 bis 80 Mini-Appartements, die nicht realisiert wurde. ROB hingegen war eine abgespeckte Version davon mit fünf zweigeschossigen Ferienwohnungen – auf einem Grundstück unterhalb des Etoile du Mer und des Cabanon, das Rebutato gehörte – das Kürzel ROB bezieht sich auf dessen Sohn Roberto. Auch diese Ferienwohnungen ließen sich nach einer Überschwemmung nicht in der geplanten Form realisieren; statt dessen errichtete Rebutato 1957 nach Plänen von Le Corbusier auf einem weiter oberhalb gelegenen Grundstück fünf vereinfachte, so genannte Camping-Einheiten. Diese wurden aus Holzfertigteil-Paneelen errichtet, die mit dem Zug angeliefert wurden (die Bahnstrecke Nizza-Menton befindet sich in unmittelbarer Nähe). Die Camping-Einheiten seien, so Rebutato, wie Unterstände in den Bergen zu betrachten, bei denen der Zeltstoff durch solide Materialien ersetzt wurde. Die farbenfroh und mit Modulor-Motiven bemalten Camping-Einheiten sind in einem guten Zustand und können für das Wohngefühl „Le Corbusier für Arme“ stehen.
 
Der Architekt kam jedes Jahr für den gesamten Monat August nach Roquebrune-Cap Martin, wo er schließlich 1965 auch starb. Er ist auf dem Friedhof oberhalb des alten Dorfkerns von Roquebrune begraben. Die Grabstätte hatte er 1958 nach dem Tod seiner Frau Yvonne selbst entworfen. Eileen Grey, die 1976 starb, hat nach der Bemalungsaktion die E.1027 nie wieder betreten. Nachdem das Haus jahrelang verfiel, ist es kürzlich saniert worden. Der Name setzt sich übrigens aus einem Zahlenschlüssel des Alphabets zusammen: E=Eileen, 10=Jean, 2=Badovici, 7=Gray.  (Benedikt Hotze)

BauNetz Classics ist eine lose Folge von Beiträgen, in denen wir uns mit frischem Blick dem bereits Gebauten nähern
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Le Cabanon (2012)

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E.1027 (2012)

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E.1027 (2012)

E.1027 (2012)

E.1027 vor der Sanierung (2005)

E.1027 vor der Sanierung (2005)

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