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22.03.2007
Gazprom-City heißt jetzt Ochta-Center
Zivilisierung der Pläne in St. Petersburg – mit Kommentar der Redaktion
Die Planungen für die „Gazprom-City“ in St. Petersburg werden offenbar grundlegend geändert. Wahrscheinlich ist dies verbunden mit einem Verzicht auf den über 300 Meter hohen Turm des Londoner Büros RMJM, das als Sieger aus einem umstrittenen Wettbewerb hervorgegangen ist (siehe BauNetz-Meldung vom 5. Dezember 2006). Die veränderten Pläne hatte Gazprom am 16. März 2007 veröffentlicht.
Die deutschsprachige Internet-Zeitung „Russland-Aktuell“ meldet, dass das Großbauvorhaben eine andere Finanzierung bekommt. Bisher sollte die Stadt das Projekt allein finanzieren und die Immobilie dann Gazprom schenken – als „Subvention zur Wirtschaftsansiedlung“. Dieser „Mauschel-Deal“ (Russland-Aktuell) ist nun vom Tisch; jetzt übernimmt die Gazprom-Tochterfirma „Gazprom neft“ 51 Prozent der Baukosten, die Stadt den Rest.
Außerdem soll der neue Stadtteil keine reine Büronutzung mehr bekommen, sondern es sollen auch Wohnungen sowie Kultur- und Sporteinrichtungen gebaut werden, darunter eine Kunsthalle für moderne Kunst.
Verbunden damit ist eine Namensänderung: Das Vorhaben soll nun – nach einem Nebenfluss der Newa – „Ochta-Center“ heißen.
Spannend bleibt die Frage, ob sich auch an der Architekturplanung etwas ändert. Offenbar wurde dem städtischen „Kulturerbe-Beirat“ bereits ein neuer städtebaulicher Entwurf des „Generalplan-Instituts“ vorgelegt, der Bauhöhen von 48 Metern am Newa-Ufer und von 100 Metern im rückwärtigen Teil vorsieht – allerdings verteilt auf auf eine Reihe von Hochhäusern. Eine Höhe von 48 Metern entspricht dem bestehenden Baurecht für diesen Standort. Offenbar soll sich das Projekt eher in die Breite als in die Höhe entwickeln. Das wäre dann das „Aus“ für den Wettbewerbsentwurf mit seinem solitären Superturm. Abbildungen von den neuen Planungen gibt es noch nicht.
Kommentar der Redaktion
Hier scheint jetzt etwas passiert zu sein, was man dem autokratischen russischen System kaum mehr zugetraut hätte: die Zivilisierung eines größenwahnsinnigen Bauprojekts.
Der Wettbewerb und seine Aufgabenstellung waren ein Skandal, dies kritisierte nicht nur der (involvierte) Rem Koolhaas, sondern auch der Juryvorsitzende Kisho Kurokawa und seine Mitjuroren Norman Foster und Rafael Viñoly, die ihre Ämter niederlegten.
Der Siegerentwurf: ein schaurig-schöner, autistischer Phallus, der nicht nur der historischen Altstadt, sondern gerade auch seinem unmittelbaren Umfeld körperliche Gewalt angetan hätte. All das nur als reine Demonstration der Macht; nur um zu zeigen, wer das Sagen im russischen Haus hat: der undurchsichtige Energie-Multi Gazprom.
Nun wird eine verträglichere Mischnutzung festgeschrieben, die Totalsubvention weicht einer ausgewogenen Finanzierung, und überdies scheinen die örtlichen Architekten und Kulturpolitiker eine Höhenbeschränkung durchzusetzen. Kurz: Hier wird endlich um verträglichen Städtebau gerungen, statt einfach nur die Befehle des Konzerns willfährig umzusetzen. Das ist ein gutes Zeichen, wenn auch erst ein Anfang. Und: Dem Turm von RMJM weint an der Newa niemand eine Träne nach.
Benedikt Hotze
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