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27.01.2005
Importeur der Moderne, Pate der Postmoderne
Zum Tod von Philip Johnson
„Ich habe keine Überzeugungen” - mit diesem markanten, selbstironischen Leitsatz wurde Philip Johnson zu einem der einflussreichsten amerikanischen Architekten des 20. Jahrhunderts. Johnson ist am 25. Januar 2005 im Alter von 98 Jahren in seinem „Glass House“ in Connecticut gestorben.
Mit dem Ort seines Todes schließt sich ein Kreis: Johnsons Haus in New Canaan war stark von der modernen Architektur seines Vorbilds Ludwig Mies van der Rohe geprägt, mit der Johnsons Karriere begonnen hatte. Der 1906 in Cleveland (Ohio) geborene Johnson hatte seit dem Bau 1949 in dem Glashaus gelebt.
Johnson hat wie kein zweiter den modernen Architekturideen der deutschen Immigranten zur Verbreitung in den USA und damit in der Welt verholfen. Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet Johnson, der zeitweise selbst mit dem Nationalsozialismus sympathisierte und in den USA eine rechte Partei gründete, die kulturellen Intentionen Nazideutschlands völlig konterkarierte: Die von den Nazis veranlasste Schließung des Bauhauses sollte die deutsche Avantgarde mundtot machen. Da deren Ideen jedoch in der neuen Welt auf fruchtbaren Boden fielen, wurden sie durch die erzwungene Emigration ihrer Protagonisten populärer als jemals zuvor.
Johnson sorgte von 1930 bis 1936 als erster Direktor für Architektur und Design des einflussreichen Museum of Modern Art für die internationale Verbreitung der Moderne. Als 26-Jähriger kuratierte er die bahnbrechende Ausstellung „Modern Architecture“ und gab mit Henry-Russel Hitchcock 1932 das Buch „The International Style: Architecture since 1922“ heraus.
Johnson studierte bei Gropius und Breuer in Harvard und baute 1954 als Partner von Mies van der Rohe das Seagram Building in New York, das zum Schlüsselwerk der Moderne in Amerika wurde.
Die chamäleonhafte Seite seines Wesens zeigte Johnson abermals, als er in den achtziger Jahren mit dem AT&T-Hochhaus (heute Sony Plaza) mit der berühmten Chippendale-Krone in New York das zentrale Gebäude der Vulgär-Postmoderne schuf. Der „neo-gotische“ Glasturm der Firma PPG in Pittsburgh und das zum Wolkenkratzer aufgeblasene „holländische Giebelhaus“ in Houston/Texas untermauerten schnell Johnsons Ruf als Créateur der wichtigsten postmodernen Architektur-Ikonen Amerikas.
So war Johnson, der der Moderne in den USA zum Durchbruch verholfen und den International Style begründet hatte, vom Paulus zum Saulus geworden: 1994 würdigte der umstrittene Architekt die Stalinallee in Ost-Berlin als „wichtigste Errungenschaft des Städtebaus im 20. Jahrhundert“ und schuf drei Jahre später am Checkpoint Charlie in Berlin ein klobiges Bürohaus angeblich „als Protest gegen die strengen Baurichtlinien in Berlin“.
Johnson war 1979 der erste Pritzker-Preisträger der Welt, obwohl er erst spät zur Architektur gekommen war und erst mit 36 Jahren sein erstes Gebäude entwarf.
Johnson, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Architektur, blieb bis ins hohe Alter beruflich aktiv und ging erst im Oktober 2004 in den Ruhestand (siehe BauNetz-Meldung). Sein langjähriger Partner Alan Ritchie übernahm das Büro im Seagram-Building. „Wir werden Philip vermissen“, sagte Ritchie zu Johnsons Abschied aus dem Berufsleben. Johnson galt ihm als „schlau, kultiviert, meinungsfreudig - und fähig, sich wie Madonna stets neu zu erfinden“.
Ulf Meyer
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