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15.06.2011
Ungewöhnlich Wohnen
Wettbewerb in Bremen entschieden
Es passiert nicht jeden Tag, dass es einen spannenden Architekturwettbewerb zum Thema städtisches Wohnen zu melden gibt. Umso mehr interessierte uns ein Verfahren in Bremen, bei dem die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewoba 15 Architekturbüros einlud, für fünf Grundstücke „kleine, passgenaue Stadtbausteine“ zu entwerfen, mit denen innovative und bezahlbare Wohnformate getestet werden sollen. Das neue Angebot soll sich dabei also explizit an Mieter mit mittleren und schwachen Einkommen richten – ein Segment, das im städtischen Wohnungsneubau sonst eher selten vorkommt.
Den Architekten wurde bei der Gestaltung ihrer Konzepte erst einmal weitgehend freie Hand gelassen Einerseits sollte für jedes Grundstück eine städtebaulich verträgliche Baumasse vorgeschlagen werden, andererseits sollte die Neubebauung auch „Ergänzungsangebote“ für die bestehenden Nachbarschaften beinhalten. „Die sozialen Strukturen des jeweiligen Standortes sollen gestützt, ergänzt und bereichert werden“, so der Auslobungstext.
Da vier der fünf Grundstücke in Siedlungen aus den 1950er und 1960er Jahren liegen, galt ein Hauptaugenmerk den Bedürfnissen des demographischen Wandels in diesen Gebieten, es sollten also speziell auch Wohnungsangebote für ältere Menschen entwickelt werden. Außerdem wurde „bei aller Ersparnis eine ästhetische und zeitgemäße Architektur“ erwartet.
Für alle fünf Standorte konnte sich die Jury (unter anderen Katja Pahl, Johannes Schilling und der Bremer Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing) am 28. Mai 2011 einstimmig auf jeweils einen Preisträger einigen, weshalb eine weitere Rangfolge nicht vergeben wurde:
- Kötnerweide (Huchting): Spengler Wiescholek Architekten, Hamburg
- Hermine-Berthold-Straße: Brandlhuber+, Berlin
- Arndtstraße (Walle): BAR Architekten, Berlin
- Undeloher Straße (Gartenstadt Vahr): Atelier Kempe Thill, Rotterdam
- Friedrich-Wagenfeld-Straße (Neustadt): LIN Finn Geipel, Berlin
Aus dem Juryprotokoll über den Entwurf von Spengler Wiescholek: „Mit den Grundrisslösungen kann flexibel auf unterschiedliche Wohnungswünsche und Bedürfnisse reagiert werden. Das architektonische Konzept wirkt als belebendes Element im Stadtteil. Eine Besonderheit liegt im städtebaulichen Ansatz, der es zulässt, nicht nur den ausgewählten Standort mit diesem Neubau zu besetzten, sondern auch alternative Standorte in der näheren Umgebung in Betracht zu ziehen.“
Aus dem Juryprotokoll über den Entwurf von Brandlhuber+: „Die programmatische Anforderung, die dieser Standort verlangt, nämlich Wohnen und Arbeiten in einem Gebäude zu vereinen, wird mit dem vorgestellten Beitrag auf eindrucksvolle Art und Weise nachgewiesen. Das Gebäude besticht durch seinen konzeptionellen Ansatz, der auch in der architektonischen Ausformulierung zum Ausdruck kommt. Zu überprüfen sind die Größen der Wohn-/Nutzeinheiten, die zu hohen absoluten Mietkosten führen, auch ist das Erschließungssystem mit nicht überdachten Laubengängen zu präzisieren.“
Aus dem Juryprotokoll über den Entwurf von BAR: „Die vielfältigen Wohnungsangebote, die unterschiedliche Nutzergruppen ansprechen, werden sich positiv auf den Altbaubestand auswirken und die erforderlichen Impulse geben. Die Freibereiche müssen nachgebessert werden, offen bleibt auch die Frage, ob die kombinierten Laubengang- und Balkonnutzungen im Wohnungsnahbereich in der vorgestellten Form funktionieren. Die Verknüpfung der bestehenden Erschließung im Altbaubestand mit den Neubauten ist gut gelöst.“
Aus dem Juryprotokoll über den Entwurf von Kempe Thill: „Das vorgeschlagene Konzept überzeugt sowohl städtebaulich wie auch konzeptionell. Es wird ein Baukörper vorgeschlagen, der die Baugeschichte der Gartenstadt Vahr aufgreift und neu interpretiert. Mit dem vorgeschlagenen Wohnungsmix, bestehend aus familiengerechten Wohnungen und Angebote für Alleinstehende, differenziert in unterschiedliche Erschließungs- und Freiflächenangebote wird ein lebendiges, vitales Haus vorgeschlagen, das positiv auf das Umfeld ausstrahlt. Die Erschließung und Bauart entspricht den wirtschaftlichen Ansprüchen der Aufgabenstellung, der architektonische Auftritt überzeugt.“
Aus dem Juryprotokoll über den Entwurf von LIN: „Es wird ein durchdachtes Konzept mit sparsamen, maßstäblich gut einfügbaren Gebäudekuben vorgeschlagen. Der Standort der vorgeschlagenen Ergänzungsbauten kann sowohl an denen der Auslobung zugrunde liegenden Grundstücksteilen liegen, als auch als Erweiterungsbaumodul mit dem Gebäudebestand verknüpft werden. In diesem Fall werden auch im Bestand barrierefreie Wohnungsangebote geschaffen. Das vorgeschlagene Grundrisskonzept ermöglicht die Umsetzung unterschiedlicher Wohnformen. Die aus dem Entwurfsprinzip resultierende Flexibilität macht den Beitrag auch für andere Standorte attraktiv.“
Die Konzepte von allen fünf Siegern werden nun mit der Gewoba ausgearbeitet. Das Büro Frenz Schwanewedel (Bremen), das auch den Wettbewerb betreut hat, ist jetzt mit der Grundstückskonsolidierung beauftragt, da bislang für keines ein gesichertes Baurecht vorhanden ist. Bis zum Herbst soll das geklärt werden, die ersten drei Entwürfe können dann schon 2012, die restlichen zwei bis 2013 realisiert werden.
Die Gewoba wird dabei als Bauherrin auftreten und die neuen Mietwohnungen auch in ihrem Besitz behalten. Bremen baut also – im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen in Deutschland – seinen Bestand an kommunalen Mietwohnungen noch aus. Vielleicht folgt ja auch in anderen Städten Deutschlands bald ein ähnlicher Umdenkensprozess.
Download:
Juryprotokoll zum Wettbewerb (pdf)Zu den Baunetz Architekt*innen:
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