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01.02.2011
Der (un)entschiedene Wettbewerb
raumlabor baut modulare Kunst-Stadt in Berlin
Es geht mal wieder hin und her in Berlin. Braucht die Stadt eine neue Kunsthalle für Zeitgenössisches? Klaus Wowereit meint ja. Noch während die temporäre Kunsthalle nach Wien verkauft wurde, wollte er noch vor der Wahl im September dafür einen Neubau am Humboldthafen starten. Der sollte erst mit Nicolas Berggruen, dann ohne ihn realisiert werden, und jetzt hat die SPD-Fraktion eine Entscheidung über den Plan ihres Chefs auf Anfang 2012 verschoben – nach der Wahl.
Derweil wurde aber die Landesgesellschaft „Kulturprojekte Berlin“ mit den Vorbereitungen einer großen Ausstellung beauftragt: „Wowereit plant Leistungsschau junger Kunst aus Berlin“ titelte die Pressemitteilung im Oktober 2010. Vier junge, internationale Kuratoren wurden benannt, dazu Klaus Biesenbach, Hans Ulrich Obrist und Christine Macel als renommierte „kuratorische Berater“ berufen. Kleine Kunstbrötchen soll man woanders backen. Berlin stellte aus dem Landeshaushalt 600.000 Euro zur Verfügung, dann wurden über einen „Open Call“ alle Berliner „Künstler“ zum Einreichen aufgefordert. Über 1.000 Vorschläge sollen eingereicht worden sein, offiziell wurde noch keine Auswahl bekannt gegeben.
Im Januar erhob sich Protest aus der Kunstlandschaft, die sich gegen den Begriff „Leistungsschau“ wehrt, das Verfahren nicht transparent findet und auch nicht nachvollziehen mag, was denn nach Senatsmeinung „jung“ bzw. „Kunst“ sei: „Die ‚Leistungsschau‘ instrumentalisiert künstlerische Arbeit zu Zwecken des Stadtmarketings und der Ökonomisierung der Kultur.“ Obendrein würden sich die zahlreich vorhandenen Galerien für zeitgenössische Kunst über die Gelder sehr freuen, es sei ja gerade die „Diversität und Dezentralität“, die Berlins Kulturleben auszeichne. Eine Online-Petition gegen die Ausstellung hat bereits 1.800 Unterzeichner.
So weit ist das alles typisch für Berlin; irgendwie verworren und unklar, und genau so geht es dann auch weiter. Da es ja vorerst keine neue Kunsthalle am Humboldthafen gibt, muss ebendort für die geplante „Leistungsschau“ eine sommerlich-temporäre Hülle geschaffen werden. Daher wurden in aller Stille 21 Architekturbüros direkt eingeladen, sich darüber Gedanken zu machen, wie denn Kunst jenseits des „White Cube“ zeitgemäß im Stadtraum gezeigt werden könnte. Bedingungen des Wettbewerbs: Ein Budget von 300.000 Euro für die Architektur (inklusive Honorare und Bauleitung), ein räumliches Konzept für 50 bis 80 noch nicht bestimmte Kunstwerke („die Ausstellungsbereiche müssen daher für Videos, Fotografie, Malerei, Skulpturen, Sound, Perfomrances, etc. geeignet sein“) und natürlich ein Bereich für Vernissagen und Veranstaltungen, Partys, Konzerte, Catering, Lounge und „Sanitäranlagen für bis zu 5.000 Besucher“.
Dieser Wettbewerb wurde bereits Ende Dezember entschieden, allerdings gibt es bis heute kein offizielles Ergebnis. Nicht einmal eine eine Liste der geladenen Teilnehmer ist zu erfahren. Ist es, weil das Ergebnis gemeinsam mit den ausgesuchten Kunstwerken präsentiert werden soll? Oder sollen an dem Entwurf noch größere Veränderungen vorgenommen werden? Jedenfalls weiß ganz Berlin längst, dass raumlabor den Wettbewerb gewonnen hat.
Die Architekten schlagen ein modulares Konzept vor, das der Auslobung auf brillante und ziemlich augenzwinkernde Art und Weise gerecht wird: Am nördlichen Hafenbecken – genau zwischen Hauptbahnhof und Hamburger Bahnhof – soll eine Art „Instant Art City“ errichtet werden; eine vielfältige und vor allem anpassungsfähige Struktur aus verschiedenen Containern und Lkws, aus Fertighäusern, Zelten, Schirmen und Schiffen. Ein „Ballungsraum, der an einen Markt erinnert, wie das Abbild einer Siedlung, die über einen langen Optimierungs- und Verhandlungsprozess eine sich selbst organisierende Struktur entwickelt hat“. Im Endeffekt soll eine „Kirmes“ entstehen, die „nicht blinkt und glänzt“, wie die Architekten beschreiben. Das wäre – insbesondere für ein so staatstragendes Projekt – eine äußerst ungewöhnliche Form und ein recht bissiger Kommentar zur Berliner Stadtlandschaft (Baustelle) und zum Zustand des Kunstmarkts (Rummelplatz/Flohmarkt), an den sich die Stadt derzeit so sehr hängt.
Und das Konzept hat einen weiteren, schwer zu übertreffenden Vorteil: „Wir schlagen eine Architektur vor, die fast ohne Budget auskommt.“ Denn die benötigten Objekte sollen, ebenso wie die gesamte Infrastruktur von Elektrizität bis Toiletten, von Berliner Firmen und Betrieben als Kultur-Sponsoring (und Werbefläche) zur Verfügung gestellt werden.
Die Verhandlungen über die Umsetzung haben bereits angefangen. Aber da raumlabor noch nicht offiziell als Gewinner des Wettbewerbs vorgestellt wurde, läuft langsam die Zeit davon. Im Juni 2011 soll die Ausstellung eröffnet werden. Ebenso ist unklar, wie hoch das Budget inzwischen ist; eine zusätzliche Million aus Lotto-Geldern scheint verfügbar, ein sechsmal höheres Budget als ursprünglich angenommen würde aber den Entwurf, der ja bewusst versucht, so viel Geld wie möglich an der Architektur zu sparen, um es den Künstlern zur Verfügung zu stellen, etwas absurd erscheinen lassen.
raumlabor schreiben: „Unsere Haltung zum Protest der Berliner Künstlerschaft ist sehr verständnisvoll. Viele Punkte, die im offenen Brief angesprochen werden, halten wir für berechtigte Kritik und wichtige Anliegen, auf die von Seiten des Kultursenats reagiert werden muss. Wir glauben allerdings auch, dass wir mit diesen Kuratoren an diesem Ort eine sehr gute Ausstellung machen können, die weder Wahlpropaganda noch Immobilienentwicklung ist. Wichtig ist dafür allerdings Offenheit und Transparenz.“ Eine Offenheit und Transparenz die diesem Projekt bislang, wie anzumerken ist, völlig fehlt. (Florian Heilmeyer)
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