04.01.2024

Venedig 2025

Carlo Ratti kuratiert die nächste Architekturbiennale

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Carlo Ratti, Kurator der 19. Architekturbiennale in Venedig

Erst vor wenigen Wochen fand die letzte Architekturbiennale ihren Abschluss. Kurz vor Weihnachten hat nun der Vorstand der Biennale-Organisation schon den nächsten Direktor der Architekturschau bekanntgegeben. Der italienische Architekt und Professor Carlo Ratti wird die 19. Ausgabe gestalten. Diese findet vom 24. Mai bis zum 23. November 2025 statt. Ratti, der in Turin, Paris und Cambridge studiert hat, ist der erste italienische Direktor seit Massimiliano Fuksas im Jahr 2000. Nach Hashim Sarkis im Jahr 2021 ist er aber zugleich auch der zweite Direktor innerhalb kurzer Zeit, der dem Massachusetts Institute of Technology nahesteht. Dort leitet Ratti das Senseable City Lab. Darüber hinaus lehrt er am Politecnico di Milano und führt ein eigenes Büro mit Niederlassungen in Turin, London und New York.

Ratti, der 1971 in Turin geboren wurde, steht für einen technologiegeleiteten Ansatz der Stadtforschung und des Städtebaus. Damit hebt er sich deutlich von gesellschaftlich orientierteren Vorgänger*innen wie eben Hashim Sarkis, Lesley Lokko oder Alejandro Aravena ab. Seine Interessen als Gestalter und Hochschullehrer unterscheiden sich aber ebenso deutlich von orthodoxeren Architekt*innen wie Yvonne Farrell und Shelley McNamara, die die 16. Ausgabe der Biennale gestaltet hatten.

Für die Manifesta in Prishtina, die Ratti urbanistisch begleitetet hatte, erarbeitete er zusammen mit seinem Team eine KI-basierte Studie des öffentlichen Raums. Im Sinne eines partizipativen Städtebaus entstanden daraus im Dialog mit Bewohner*innen eine Reihe von Interventionen. Ähnliche Gedanken kommen auch in Rattis Aussage zum Ausdruck, mit der er sich von der Biennale zitieren lässt: „Wir Architekten halten uns gerne für schlau, aber echte Intelligenz ist überall zu finden. Konfrontiert mit einer brennenden Welt, müssen wir in der Architektur jegliche Intelligenz nutzen, die uns umgibt.“ Vor zwei Jahren konnte Carlo Ratti zusammen mit BIG in Singapur ein von Grünräumen durchzogenes Hochhaus verwirklichen.

Die Webseite des 2004 von Ratti begründeten Senseable City Lab verzeichnet wiederum Projekte unter anderem zu stadtklimatischen, verkehrstechnischen und infrastrukturellen Fragen. Beispielsweise wird die Auswirkung von verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf den Pariser Stadtalltag untersucht. In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierungen kann sich eine solche technologisch ebenso wie wissenschaftlich fundierte Arbeitsweise durchaus als sinnvolle Strategie erweisen. Zumindest, wenn die ökonomischen und politischen Dimensionen vieler aktueller Herausforderungen nicht ignoriert werden. Ratti gilt als gewiefter Netzwerker, der auch regelmäßig in einflussreichen Tageszeitungen publiziert. Er dürfte sich dessen also bewusst sein.

Die Vorstellung von Carlo Ratti kommt in einer Zeit des Umbruchs für die Biennale. Sie erfolgt noch unter dem amtierenden Präsidenten Roberto Cicutto, wurde aber laut Presseerklärung bereits mit seinem designierten Nachfolger Pietrangelo Buttafuoco abgestimmt. Cicuttos Vertrag hatte Kulturminister Gennaro Sangiuliano nicht verlängert, stattdessen folgt mit Buttafuoco nun ein Präsident, der der rechten Regierung von Giorgia Meloni nahesteht. Die Wahl Rattis und die explizit erwähnte Abstimmung zwischen Cicutto und Buttafuoco dürfte kein Zufall sein. Fachlich handelt es sich bei Ratti unbestreitbar um einen geeigneten Kandidaten. Seine Ernennung kann aber zugleich auch im Sinne einer politisch erwünschen Renationalisierung wichtiger italienischer Kulturinstitutionen interpretiert werden. (sb)

Foto: Sara Magni, Courtesy La Biennale de Venezia