29.04.2021

Poetische Meisterschaft

Goldener Löwe für Rafael Moneos Lebenswerk

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Rafael Moneo, Foto: Germán Saiz

Der goldene Lebenswerk-Löwe der Biennale 2021? Moment, der wurde doch schon Anfang März vergeben, in memoriam an Lina Bo Bardi, denn die Architektin starb bereits 1992. Das jedoch hindert Hashim Sarkis als Kurator der diesjährigen Ausgabe nicht daran, nun auch noch Rafael Moneo auszuzeichnen, der sich hoffentlich trotz seines Alters von 83 Jahren noch bester Gesundheit erfreut. In memoriam-Auszeichnungen werden laut Biennale weiterhin die absolute Ausnahme bleiben. Bisher wurde lediglich 2010 Kazuo Shinohara nach seinem Tod prämiert. Insofern ist der Löwe für Moneo nun lediglich die Fortsetzung der regulären Praxis.

Moneo sei als Lehrer, Kritiker und Theoretiker einer der einflussreichsten Architekten seiner Generation, gesegnet mit einem außergewöhnlichen poetischen Können, so Sarkis. Darüber hinaus war Moneo auch in Venedig immer wieder an Projekten beteiligt, so auf Giudecca und am Lido, wo er 1992 den 1. Preis im Wettbewerb für einen neuen Filmpalast gewann – ein Vorhaben, das allerdings unrealisiert blieb. Als seine wichtigsten frühen Werke dürfen der neue Atocha-Bahnhof von Madrid und das Nationalmuseum für Römische Kunst in Mérida gelten. Aber auch zahllose andere seiner Bauten wie Kirchen, weitere Museen, Hotels, Rathäuser, Bibliotheken oder Konferenzzentren bringen jeden Tag eine Vielzahl von Menschen zusammen. Infolgedessen passt auch sein Werk – wie Bo Bardis – gut zu der übergeordneten Fragestellung der Biennale: „How do we live together?“

Moneos Architektur zu charakterisieren ist dabei gar nicht so einfach. Eine wesentliche Eigenschaft seiner Arbeit sei es, sich weder auf Stil noch Material festlegen zu lassen, hieß es 2017 bei der Verleihung des Praemium Imperiale an Moneo. War vielleicht anfangs noch eine Präferenz für schwere Materialien wie Naturstein und Ziegelmauerwerk erkennbar, erweiterte er schnell sein Repertoire um Glasfassaden und Metallkonstruktionen. Die Imperiale-Jury nannte ihn deshalb auch einen Meister des Pluralismus. Bereits 1996 hatte er zudem schon den Pritzker-Preis erhalten.

Tatsächlich beeindruckt die Wandelfähigkeit seines Ausdrucks, insbesondere, wenn man auch seine Bauten aus jüngeren Jahren wie die Prado-Erweiterung von 2007 oder sein Hochhaus für die Columbia University von 2009 betrachtet. Weitere wichtige Werke sind der Kursaal von San Sebastián und die Kathedrale von Los Angeles. Sarkis selbst hatte für Moneo an dessen Souk-Projekt für Beirut gearbeitet, das 2009 fertiggestellt wurde. Insofern ehrt hier auch ein Schüler seinen alten Lehrer. (sb)