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27.02.2020
Denkstoff statt schöner Bilder
Konzept der Architekturbiennale in Venedig vorgestellt
Langsam wirbelt der Corona-Virus auch die Architekturzeitpläne durcheinander: Die Messen Light + Building (Frankfurt) und Salone del Mobile (Mailand) sind bereits verschoben, der Termin für die Architekturbiennale in Venedig steht noch. Allerdings fand die Präsentation des Konzepts von Kurator Harshim Sarkis nicht wie für nächste Woche angekündigt in der Italienischen Botschaft in Berlin statt, sondern wurde Pressevertretern heute „nur“ online als Livestream aus Venedig und mit einem Einspieler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus Cambridge übermittelt.
Paolo Baratta steht der Biennale zum letzten Mal als Präsident vor, der Filmproduzent Roberto Cicutto werde „in Kürze“ übernehmen, so Baratta. Außerdem gab er bekannt, dass in diesem Jahr 63 Länder an der Biennale teilnehmen werden, darunter Grenada, der Irak und Usbekistan zum ersten Mal. Kazuyo Sejima wird der Jury vorsitzen, die den Goldenen Löwen vergibt. Harshim Sarkis attestierte Baratta einen weiten Blick auf die sich weltweit vollziehenden, dramatischen Veränderungen und die Rolle, die der Architektur dabei zukommt. Eine Architekturausstellung sei weit mehr als ein Ort zur Wissensvermittlung, so der scheidende Präsident. Es gehe viel mehr darum, Bewusstsein zu schaffen, einen Dialog zu initiieren und Menschen zu mobilisieren – teilzuhaben, anstatt sich als ein Opfer der Veränderungen zu fühlen.
Harshim Sarkis ist seit 2015 Dekan der School of Architecture and Planning am MIT. Er meldete sich aus den Räumen seines Biennale-Labors an der Hochschule, wo ein großes internationales Team an der Ausstellung unter dem Motto „How will we live together“ arbeitet. Sarkis kündigte 114 Projekte aus 46 Ländern an. Anstatt im Video berühmte Büronamen zu nennen, erwähnte er die Beteiligung vieler Frauen sowie von Büros aus Afrika, Lateinamerika und Asien, außerdem die Kooperation mit anderen Hochschulen. Die soeben veröffentlichte Liste der Teilnehmer ist aber durchaus prominent und vielseitig besetzt: Hier stehen Aires Mateus neben SOM, die Bouroullec Brothers neben OMA, Raumlabor neben Miralles Tagliabue, Gramazio Kohler neben Elemental.
Alles und Nichts lassen die fünf Hauptthemen vermuten, die Sarkis aufzählte. Sie repräsentieren verschiedene Maßstäbe in der Auseinandersetzung mit Architektur und reichen vom „human body“ bis hin zu unserem Planeten und darüber hinaus („outer space“). Es wird im Arsenale außer um das Individuum auch um neue Formen des Wohnens und Gemeinschaften gehen, im Hauptpavillon in den Giardini um das Thema „Grenzen“, und eben die Erde und globale Themen wie den Klimawandel. Dass Sarkis zwar auch ein Mann der Praxis ist, in erster Linie aber Forscher, Lehrer, Theoretiker und Autor, verspricht Denkstoff statt schöner Bilder – das tut der Biennale gut.
Und falls sie tatsächlich doch noch verschoben oder gar abgesagt werden sollte, erwiese sich das kürzlich vorgestellte Konzept von „Team 2038“ um Arno Brandlhuber, Olaf Grawert, Nikolaus Hirsch und Christopher Roth als wahrhaft visionär: Im Deutschen Pavillon sollen ausschließlich Filme gezeigt werden, die mit der Eröffnung auch online gehen. Eine Reise nach Venedig wäre fast entbehrlich. (kv)
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