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29.04.2014
Fondamente Nove #02
Der Bungalow bleibt ein Phantom
Russisch, Hindi oder typisch deutsch? Rund um den Haustyp Bungalow ranken Vorurteile und Mythen. Für den Einen ist er – zumindest etymologisch – die Hütte am Strand von Bengalen oder aber der Feder eines russischen Architekten namens Dimitri Bungalow entsprungen – ein Hoax, der es zeitweise bis in die Wikipedia geschafft hat. Für Andere ist der Bungalow ein Flachdachbau für Besserverdiener oder die Datsche mit Hollywoodschaukel. Gibt es den Bungalow wirklich?
In der Architekturgeschichte scheint er bisher keinen rechten Platz gefunden zu haben, ein Blick in den Bibliothekskatalog verrät das. 2014 könnte sich das ändern: Mit „Bungalow Germania“ ordnen die Kuratoren des deutschen Pavillons, Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis, den Bungalow unter Rem Koolhaas' Rahmenthema „Absorbing Modernity“ der Moderne zu. Trotzdem: Auch für die beiden Schweizer Architekten ist er mehr Mythos als Realität.
Zwischen 1963 und 1966 von Sep Ruf als Wohn- und Empfangsgebäude des Bundeskanzlers errichtet, wurde der Stahlskelettbau im Volksmund schnell zum Kanzlerbungalow und zum Paradebeispiel für die westdeutsche Nachkriegsmoderne. Das Bild der Deutschen vom Bungalow wurde das des eingeschossigen Flachdachbaus. Beliebt bei der oberen Mittelschicht, ersetzte der sich in die Fläche ausbreitende Bautyp bald das Siedlungshaus mit Satteldach.
„Die meisten Architekten von Bungalows der fünfziger und sechziger Jahre haben den Begriff damals für ihr eigenes Werk nicht benutzt“, erklärt Carola Ebert. Die Architektin forscht an der Uni Kassel über Bungalows. Von der Fachwelt lange abgelehnt, tauchte der Begriff erst ab den 80er Jahren im Architekturdiskurs auf, seit den nuller Jahren sei ein regelrechtes „Bungalow-Revival“ zu beobachten. Schwerpunkt ihrer Forschungen sind Bungalows, die Architekten in der BRD während der 1950er und 1960er Jahre errichteten. Ist der Bungalow also ein westdeutsches Phänomen?
Nein, doch es gebe einen fundamentalen Bedeutungsunterschied, erklärt Ebert: In der DDR, wo kollektive Wohnformen im Vordergrund standen, war der Bungalow ein kleines Ferienhäuschen, „eine Datsche“, in Westdeutschland „ein Einfamilienhaus mit Hollywoodschaukel“. Ein Schein-Anglizismus der Deutschen für die amerikanisierte Moderne, die sich nicht nur durch veränderte Materialien von den bereits in den 20er Jahre entstandenen eingeschossigen Bauten unterschied. „Entspannter und wohnlicher“, beschreibt Ebert – ganz wie die kalifornischen Case Study Houses – die Verkörperung eines neuen Lebensstils. Häuser wie die leichten Stahl-Glas-Konstruktionen von Pierre Koenigs Bailey House (Case Study House 21) oder dem Stahl House (Case Study House 22) wurden in deutschen Publikationen schon in den 60ern als „Bungalow“ präsentiert. „Dabei entspricht der American Bungalow eher einem Landhaus der Jahrhundertwende. Architektonisch und bildlich hat er mit dem, was man sich in Deutschland unter dem Begriff Bungalow vorstellt, gar nichts gemein.“
Außerhalb Deutschlands versteht man unter dem Begriff in der Regel tropische Bauten, die in den Kolonien des 18. und 19. Jahrhunderts entstanden. Egal ob an der amerikanischen Westküste, in Bonn, der ostdeutschen Provinz, Russland oder Indien, ob eingeschossiger Flachdachbau, Datsche oder Holzhütte: „Ein Bungalow ist jeweils das, was die Leute so nennen“, zitiert Ebert den englischen Soziologen und Architekturhistoriker Anthony King. Der Bungalow bleibt ein Phantom.
Luise Rellensmann
Architekturbiennale 2014: BauNetz Fondamente Nove
Das ganze Land ein Bungalow! In ihrem ersten Interview reden Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis u.a. über Repräsentation, den deutschen Pavillon in Venedig und den Kanzlerbungalow in Bonn. Bis Juni widmen wir uns mit der neuen Reihe „Fondamente Nove“ diesen und anderen Aspekten zum Thema „Bungalow Germania“.
BauNetz ist Medienpartner des deutschen Beitrags in Venedig. Unsere Berichterstattung zur Biennale 2014 wird unterstützt von GROHE.
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